Mehr Bürokratie bringt nicht automatisch mehr Verbraucherschutz
Mit dem Gesetzentwurf soll zum einen eine Meldepflicht für Laborbetreiber, die Kenntnis von einer Grenzwertüberschreitung erlangen, eingeführt werden. Zum anderen sollen Unternehmer verpflichtet werden, Eigenkontrollergebnisse für gesundheitlich unerwünschte Stoffe im Rahmen eines Monitorings an die zuständige Behörde zu melden. Am 11.04.2011 fand zur LFGB-Novelle eine Anhörung vor dem Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz statt.
Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL) und der Handelsverband Deutschland (HDE) machten in ihrer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme klar, dass es keiner Reform der Meldepflichten im LFGB bedarf. Die aktuellen gesetzlichen Regelungen sind ausreichend, die überwältigende Mehrheit der Unternehmer verhält sich gesetzestreu. Der unredliche Unternehmer wird sich auch nicht durch zusätzliche Strafen oder erweitere Meldepflichten von seinem kriminellen Vorhaben abbringen lassen.
Mehr Bürokratie, Nutzen für den Verbraucherschutz fraglich
Als Sachverständigen hatte der BVL Dr. Horst Lang, Leiter Qualitätssicherung der Globus SB-Warenhaus GmbH benannt. Lang machte in seinen Ausführungen deutlich, dass die geplante Meldepflicht für Betreiber privater Labore und die ebenfalls einzuführende Meldepflicht für so genannte „gesundheitlich nicht erwünschte Stoffe“, vor allem Mehraufwand und Mehrkosten bei den Unternehmen und Behörden produzieren werde. Wenn schon über eine Meldepflicht für private Labore nachgedacht würde, müsse dieses Vorhaben auf europäischer Ebene umgesetzt werden, um eine Inländerdiskriminierung und damit Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen zu vermeiden.
Besonders vor dem Hintergrund der geplanten Ausdehnung der Veröffentlichungspflichten in der ebenfalls anstehenden Novelle des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) sah Lang die erweiterten Meldepflichten in der LFGB-Novelle kritisch. Es dürfe keinesfalls dazu kommen, dass die unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis fallenden Daten über Untersuchungsergebnisse durch das VIG einem erleichterten Zugriff durch die Öffentlichkeit unterliegen.
Lang hob darüber hinaus hervor, dass die Wirtschaft mit dem QS- bzw. mit dem KAT-System über wohl erprobte, stufenübergreifende Qualitätssicherungssysteme verfüge und dass diese Systeme während der Dioxinvorgänge Anfang dieses Jahres ihre Wirksamkeit gezeigt hätten. Lang unterstrich, dass die Unternehmen des Lebensmittelhandels sehr gut funktionierende Eigenkontrollsysteme besäßen und dass die unternehmenseigenen Standards bei der Lebensmittelsicherheit zum Teil über den gesetzlichen Anforderungen lägen. Es sei sinnvoller zu analysieren, was man bereits habe. Gegebenenfalls müssten Abläufe optimiert werden, anstatt neue Vorschriften zu erlassen. Auch dürfe Kommunikation keine Einbahnstraße sein. So könne der Informationsfluss von Behörden an Unternehmen verbessert werden, betonte der Leiter Qualitätssicherung der Globus SB-Warenhaus GmbH.
Massiver Eingriff in das Prinzip der Eigenverantwortung
Ähnlich äußerten sich weitere Sachverständige der Wirtschaft. So kritisierte Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde die Ausweitung der Meldepflicht als massiven Eingriff in das Prinzip der Eigenverantwortung der Unternehmen. Nach seiner Auffassung verstößt der Gesetzentwurf gegen geltendes EU-Recht. Der Mehraufwand, der durch die verstärkten Kontrollen entstünde und die damit verbundene Kostensteigerung, würden zu Wettbewerbsnachteilen deutscher Unternehmen führen.
Wirksame Umsetzung nur mit mehr Geld und Personal machbar
Selbst die Befürworter der LFGB-Novelle mussten einräumen, dass eine wirksame Umsetzung der geplanten Maßnahmen nicht ohne zusätzlichen personellen und finanziellen Aufwand möglich ist. Eine Ausweitung der Meldepflicht über die Labore hinaus forderte Peter Knitsch vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung betrachte er nur als ersten Schritt. Er forderte für eine rasche Umsetzung des 14-Punkte-Aktionsplans, der von Bund und Ländern nach dem Dioxinskandal ausgearbeitet worden sei.
Mit dem Gesetzentwurf ziehe die Bundesregierung keine ausreichenden Konsequenzen auf den Dioxinskandal, stellte Katrin Lompscher, Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Berlin, fest. Insbesondere die Neuregelungen der Meldepflicht gingen ihr nicht weit genug. Es müsse ebenfalls über eine Überprüfung des Strafrahmens für Unternehmer nachgedacht werden.
Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit
Die vorgebrachten Bedenken der Sachverständigen aus der Wirtschaft sind bereits während der Anhörung von Vertretern der Koalitionsfraktionen aufgenommen worden. Der Hinweis, sich das Bestehende anzuschauen, auf seine Wirksamkeit zu prüfen und daraus Verbesserungen abzuleiten, sei berechtigt, so der Tenor. Franz-Josef Holzenkamp, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagte im Anschluss der Anhörung, für die Unionsfraktion gehe Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Die Einwände würden ernst genommen. Bei der Umsetzung des Dioxin-Monitorings müsse mit Augenmaß vorgegangen werden.
Inwieweit die Bedenken der Koalitionsfraktionen zu Änderungsanträgen führen bleibt abzuwarten. Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzentwurf im Bundestag wahrscheinlich Ende Mai/Anfang Juni verabschiedet wird. Bevor die Gesetzesnovelle in Kraft treten kann, muss sich der Bundesrat abschließend mit ihr befassen.