Gemeinwohl – Was ist das?
Jeder Einfluss, den Organisationen auf ihr gesellschaftliches Umfeld ausüben, wird als Gemeinwohlbeitrag (Public Value) bezeichnet. Dieser Wertbeitrag stiftet Nutzen, wenn Organisationen individuelle oder kollektive Bedürfnisse befriedigen. Sie handeln also immer dann gemeinwohlorientiert, wenn sie Wertschätzung in der Gesellschaft erfahren und auf diese Weise zu einem funktionierenden Gemeinwesen beitragen.
Vier menschliche Grundbedürfnisse bilden den Beurteilungsmaßstab für die Gemeinwohlwirkung einer Maßnahme, Organisation oder ganzen Branche:
- 1) Aufgabenerfüllung: Ist es sachlich gerechtfertigt?
- 2) Moral: Ist es anständig?
- 3) Zusammenhalt: Ist es gesellschaftlich akzeptabel?
- 4) Lebensqualität: Ermöglicht es positive Erfahrungen?
Versteht man den Gemeinwohlbeitrag einer Wirtschaftsorganisation als Richtschnur für Managemententscheidungen, lässt er sich mithilfe einer Public Value Scorecard (PVSC) messen. Dabei wird in Bezug auf die Aufgabenerfüllung nicht nur der sachliche, sondern auch der finanziell-ökonomische Nutzen für die Gesellschaft ermittelt. Es wird also der Frage nachgegangen:
- 5) Ist es profitabel beziehungsweise ist es wirtschaftlich sinnvoll?
Warum die Untersuchung des Gemeinwohlbeitrages sinnvoll ist
Der Lebensmittelhandel prägt die individuelle Wahrnehmung des Gemeinwesens entscheidend mit. Strategische Entscheidungen und Geschäftspraktiken werden öffentlich diskutiert und machen die gesellschaftliche Relevanz unternehmerischen Handelns sichtbarer. Diese Transparenz führt nicht nur dazu, dass Unternehmen sich verstärkt darüber Gedanken machen, wie sie sich in der Gesellschaft verorten. Sie müssen sich auch darüber klar werden, dass sie ihre Wertschätzung jeden Tag aufs Neue erarbeiten und pflegen müssen.
Die Wahrnehmung der Leistungen, die Unternehmen zum Zusammenleben in einem Gemeinwesen erbringen, gewollt oder ungewollt, prägt nicht nur ihr gesellschaftliches Bild. Sie hat mitunter auch großen Einfluss auf das Kerngeschäft. Unternehmerische und gesellschaftliche Wertschöpfung hängen also unmittelbar zusammen.
Um besser zu verstehen, wie die Menschen in Deutschland den Lebensmittelhandel wahrnehmen, was sie wertschätzen und wünschen, hat der BVLH den Gemeinwohlbeitrag des deutschen Lebensmittelhandels ermitteln lassen. Die Studie verlief entlang der Methodologie der Gemeinwohlevaluierung unter wissenschaftlicher Begleitung von Prof. Dr. Timo Meynhardt, Inhaber des Dr. Arend Oetker Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der Handelshochschule Leipzig (HHL Leipzig Graduate School of Management).
Der Gemeinwohlbeitrag des deutschen Lebensmittelhandels zeigt nicht nur den Mehrwert, den die Branche für die Gesellschaft leistet. Er hilft auch dabei, die eigene Rolle bei der Gestaltung des Gemeinwesens klarer zu definieren und zu kommunizieren.
Das Gemeinwohlprofil des Lebensmittelhandels
Das Gemeinwohlprofil des deutschen Lebensmittelhandels besteht aus drei Gemeinwohldimensionen, die durch einzelne konkrete Wertbeiträge konstruiert und genauer beschrieben werden. Insgesamt handelt es sich um elf Wertbeiträge, die der Lebensmittelhandel zum Gemeinwohl in Deutschland stiftet.
- Dimension 1: Mitgestaltung zeitgemäßer Versorgung
Versorgungssicherheit
Anspruch auf Qualität
Differenzierte Preise
Achtung vor Umwelt und Tieren - Dimension 2: Verantwortungsbewusste Mitgestaltung der Lebensstile
Sortimentsvielfalt – Produkte für jeden
Förderung der Gesundheit
Einkaufen als Erlebnis
Esskultur stärken - Dimension 3: Unternehmerische Mitgestaltung des Gemeinwesens
Produktionskultur
Arbeitskultur
Zugangskultur
Die Untersuchungsmethode
Der Gemeinwohlbeitrag des deutschen Lebensmittelhandels wurde in einem zweistufigen Verfahren ermittelt. Zunächst wurden 30 Experten aus fünf Stakeholder-Gruppen in einem strukturierten Interview befragt. Dazu gehörten Vertreter aus der Wertschöpfungskette, aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Aus den Ergebnissen dieser qualitativen Befragung wurde mithilfe einer Public Value Scorecard ein Gemeinwohlprofil erstellt.
Mit einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung (N = 1.000), die das forsa-Institut durchgeführt hat, wurde dieses Gemeinwohlprofil im Anschluss überprüft. Dafür wurde zum einen jeweils eine Frage zu jeder der drei Dimensionen des Gemeinwohlprofils und zu jedem der insgesamt elf Wertbeiträge formuliert. Zum anderen wurden die vier Dimensionen des Gemeinwohlbegriffs wie folgt abgefragt:
- Leistet der Lebensmittelhandel in seinem Kerngeschäft gute Arbeit?
- Trägt der Lebensmittelhandel zum Zusammenhalt in Deutschland bei?
- Trägt der Lebensmittelhandel zur Lebensqualität in Deutschland bei?
- Verhält sich der Lebensmittelhandel anständig?
Die Sichtweise der Kunden
Grundlage für die Bewertung der Gemeinwohlleistung des deutschen Lebensmittelhandels durch die Bevölkerung ist der GemeinwohlAtlas. Dort bewertet eine repräsentative Stichprobe den empfundenen Gemeinwohlbeitrag von Organisationen in Deutschland anhand der vier Bedürfnisdimensionen: Aufgabenerfüllung, Zusammenhalt, Lebensqualität und Moral. Die jeweiligen Ergebnisse werden zu einem Gemeinwohl-Punktwert zusammengefasst.
Diese Vorgehensweise wurde auch bei der Bevölkerungsbefragung zum Gemeinwohlbeitrag des deutschen Lebensmittelhandels angewandt. Im Ergebniss erreichte der Gemeinwohlbeitrag einen Durchschnitt von 3,98 von 6 Punkten. Im GemeinwohlAtlas Deutschland, dessen letzte Befragung Ende 2015 veröffentlicht wurde, stünde der Lebensmittelhandel damit auf Platz 50 von insgesamt 127 Organisationen. Damit belegt der Lebensmittelhandel einen sehr guten Mittelfeldrang.
Studie: Mit dem Gemeinwohl an der Kasse – Der deutsche Lebensmittelhandel als Kulturträger
Studie zur Ermittlung des Gemeinwohlbeitrages des deutschen Lebensmittelhandels
(Juni 2018)
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