Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Lebensmittelkennzeichnung – die Zweite!

Nachdem das Europäische Parlament im Juni letzten Jahres die Erste Lesung zum Verordnungsvorschlag der Europäischen Kommission über die Information von Lebensmitteln abgeschlossen hat, haben sich die 27 Mitgliedstaaten Ende vergangenen Jahres auf eine Marschrichtung geeinigt. Am 21. Februar 2011 wurde diese Einigung in einen Gemeinsamen Standpunkt gegossen. Damit kann nun die Zweite Lesung starten. Wenn der Zeitplan eingehalten wird, entscheidet das Parlament noch vor der Sommerpause. Anschließend muss der Rat die Änderungen akzeptieren oder ablehnen. Im letzteren Fall geht’s in ein Vermittlungsverfahren. Also – es bleibt spannend!

Wo stehen wir  nun im Einzelnen. Die Verordnung umfasst viele Punkte, die für den Handel von Bedeutung sind. Sei es in seiner Funktion als Eigenmarkenhersteller, oder als klassischer Einzelhändler. Werfen wir einen Blick auf die  Aspekte:

Die Nährwertkennzeichnung

Zur Erinnerung: die Europäische Kommission hatte in ihrem Vorschlag vom Januar 2008 eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung vorgeschlagen, bestehend aus dem Energiewert und den Gehalten an Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Salz. Diese Angaben sollten pro 100g/ml erfolgen und zusätzlich in Form so genannter GDA-Angaben, also mit einer zusätzlichen Aussage bezogen auf den täglichen Bedarf der einzelnen Nährwerte. Die Angaben sollten außerdem auf der Vorderseite der Verpackung angebracht werden. Auch wurde ein großer Raum für zusätzliche  nationale Systeme geschaffen.

Das Europäische Parlament sah es in der Ersten Lesung anders. Übereinstimmend sprach man sich für eine Pflicht-Nährwertkennzeichnung aus – allerdings mit den zusätzlichen Elementen Ballaststoffe sowie natürliche und künstliche Transfettsäuren. Damit stieg die „Wunschliste“ also auf insgesamt 10 Kennzeichnungselemente , von denen fünf auch auf die Vorderseite sollten. GDA-Angaben sollten ebenfalls Pflicht werden. Wünsche nach einer darüber hinausgehenden farbigen Ampelkennzeichnung setzten sich erfreulicherweise nicht durch. Außerdem wurden die nationalen Systeme gestrichen – ein Einfallstor für eine Flickenteppichkennzeichnung in Europa.

Nun zum Rat: Aufbauend auf der Vorschlagsliste der Kommission , wurde noch Eiweiß in die Liste der Pflichtangaben aufgenommen. Dabei soll es den Unternehmen aber frei stehen, wo sie die Angaben machen, solange sie zusammen erscheinen. Sollen Angaben auf der Vorderseite wiederholt werden,  müssen diese folgende Elemente enthalten: den Energiewert und die Gehalte an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz. Eine Auswahl einzelner Elemente soll nicht zugelassen sein. Auch nationale Systeme sollen grundsätzlich möglich sein. GDA-Angaben sind freiwillig – im Gegensatz zum Parlament.

Fazit: Eine Pflichtnährwertkennzeichnung wird kommen, allerdings ist die Frage der Ausgestaltung noch immer offen.

Herkunftskennzeichnung:

 Auch hier gehen die Meinungen auseinander. Während die Kommission - jedenfalls ursprünglich - keine Änderungen wollte, haben die Abgeordneten ein großes Interesse an der Herkunftskennzeichnung der Lebensmittel bekundet. Sie  soll  für Fleisch, Geflügelfleisch, Molkereiprodukte, Obst und Gemüse und Produkte, bestehend aus einer Zutat, gelten. Die Liste umfasst außerdem Fleisch, Geflügelfleisch und Fisch, wenn Sie als Zutat in verarbeiteten Lebensmitteln verwendet werden.

Die Mitgliedstaaten schlagen nun einen Mittelweg vor, indem sie zunächst eine Pflichtherkunftskennzeichnung für Schweinefleisch, Lamm und Geflügel vorsehen und eine Ausweitung einer solchen Kennzeichnung auf Milch oder Zutaten von der Vorlage eines Berichts der Europäischen Kommission abhängig machen wollen. Also – so eine Art Herkunftskennzeichnung auf Raten. Auch die Kommission lenkt hier ein.

Fazit: eine Herkunftskennzeichnung scheint mehrheitsfähig – offen ist allerdings erneut die Frage nach der Ausgestaltung. Und genau hier ist auch der Handel gefordert und setzt sich für praktikable Regelungen für die Wirtschaft ein, soweit die Argumente, die gegen eine solche Kennzeichnung sprechen, nicht gehört werden.

Schriftgröße

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Frage, ob künftig eine feste Schriftgröße bei den Pflichtangaben vorgeschrieben wird. Ursprünglich ist die Kommission mit 3 mm ins Rennen gegangen. Das Parlament hat sich zu Recht gegen diesen Ansatz und für Leitlinien ausgesprochen, die die Lesbarkeit der Angaben gewährleisten. Damit würde dem Umstand Rechnung getragen, dass die Lesbarkeit einer Angabe von sehr vielen Faktoren abhängt. Der Rat hat von Anfang an die Idee einer festen Schriftgröße unterstützt und sich nun für 1,2 mm bzw. 0,9 mm bei kleinen Verpackungen ausgesprochen. Maßstab ist dabei die so genannte „x-hight“.

Fazit: Die Lesbarkeit ist und bleibt ein Thema.  Sie wird entweder Gegenstand von Leitlinien oder einer festen Vorgabe. Der Handel hat sich – aufgrund der Tatsache, dass die Schriftgröße für die Frage der Lesbarkeit nicht allein entscheidend ist – von Anfang an für eine angemessene Leitlinienlösung ausgesprochen.

Verantwortlichkeit

Die Verordnung versucht ebenfalls eine eindeutige Lösung für die Frage der Verantwortlichkeiten in der Kette für die Lebensmittelinformation zu finden. Das Europäische Parlament hat den ursprünglichen Ansatz der Europäischen Kommission klar verbessert und sich eindeutig dafür ausgesprochen, dass derjenige verantwortlich ist, der das Lebensmittel erstmalig in der EU auf den Markt bringt oder derjenige, unter dessen Namen das Lebensmittel vermarktet wird. Der Rat dreht das Rad nun wieder zurück und eröffnet Interpretationsspielräume, die vom Handel nicht begrüßt werden.

Fazit: Der Handel ist gefordert und setzt sich für eine Beibehaltung des klaren Votums des Parlaments aus der Ersten Lesung ein.

Lose Ware

Ein weiterer für den Handel bedeutsamer Punkt ist die Frage, welche Informationen bei der losen Ware – also z. B. an den Bedientheken kenntlich gemacht werden müssen. Während die Kommission ursprünglich alle Angaben grundsätzlich auch für die lose Ware vorsah, vorbehaltlich mitgliedstaatlicher Ausnahmen, gehen Parlament und Rat den umgekehrten Weg und ermächtigen die Mitgliedstaaten einzelne Regelungen auch auf die lose Ware zu übertragen.

Einzige Ausnahme: Allergene. Darüber muss der Verbraucher immer informiert werden. Nach Meinung des Parlaments sollte dafür in der Verkaufsstätte auch ein entsprechender Hinweis erfolgen. Der Rat will es den Mitgliedstaaten überlassen, auf welche Weise die Angaben zu erfolgen haben.

Fazit: Der Hinweis auf das allergene Potenzial hat einen besonderen Stellenwert. Auch hier sind wir gefordert, sachgerechte Lösungen für die Verbraucher und den Handel zu finden.

Wie geht es nun weiter?

In Kürze wird der Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments erwartet - der nächste konkrete Schritt, auf den der HDE in Brüssel und der Europäische Dachverband des Handels EuroCommerce warten. Dann wissen wir mehr und können uns entsprechend positionieren – im Sinne des gesamten Handels! Auf in die nächste Runde!