Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

Druckversion der Seite: Meldung

„Klarheit und Wahrheit bei Lebensmitteln“ – Transparenz oder Pranger?

Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) hat im Jahr 2009 die Initiative „Klarheit und Wahrheit bei der Aufmachung und Kennzeichnung von Lebensmitteln” auf den Weg gebracht. Der bisherige Dialog mit Politik und Verbrauchern wird damit auf eine harte Probe gestellt: Entstehen hier Instrumente, die einen transparenten und fairen Dialog ermöglichen? Und wird der Handel in den Prozess über das, was entsteht, wirklich eingebunden?

Im Zentrum der BMELV-Initiative, die aus verschiedenen Bausteinen besteht, steht ein neues Internetportal, welches in einem Projekt durch den Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) in Kooperation mit der Verbraucherzentrale Hessen aufgebaut und betrieben wird.

Das Internet-Portal soll im Frühjahr 2011 freigeschaltet werden. Verbraucher können hier mögliche Täuschungen und Irreführungen benennen und in Online-Foren mit Experten diskutieren. Damit soll der Verbraucher aufgeklärt und der Dialog gefördert werden. Das Portal soll „Informations- und Meinungsforum“ sein, das einen „fairen und sachbezogenen Austausch zwischen Verbrauchern und der Wirtschaft“ ermöglicht. Gefördert wird das Projekt durch Mittel des BMELV.

Schutz der Rechte – insbesondere im Netz

Das Internet ist bekanntlich ein Kommunikationsraum mit eigenen Gesetz­mäßig­keiten. Das BMELV hat dies in anderen Zusammenhängen stets mit Nachdruck betont und sich gerade auch deshalb für die Einhaltung fundamentaler Garantien zugunsten derjenigen stark gemacht, die sich ins Netz begeben. Nichts anderes darf aber für den Schutz derer gelten, die ins Netz gestellt werden.

Was auf den ersten Blick nach einer guten Möglichkeit der offenen Kommunikation aussieht, birgt deutliche Risiken. So ist nicht auszuschließen, dass nicht nur einzelne Verbraucher, sondern auch Nutzerkreise mit tendenziösen Absichten gezielt Einträge und Vorwürfe im Portal platzieren und damit bestimmte Produkte und Unternehmen öffentlich an den Pranger stellen.

Um dies zu verhindern, müssen vor der Realisierung des Portals ganz klare Spielregeln formuliert werden, die auch die Interessen der Unternehmen angemessen schützen. Insbesondere der produktbezogene Bereich wirft viele Fragen auf. Aber auch der Diskussionsbereich birgt Risiken. Hier müssen Regeln festlegt werden, nach welchen Kriterien Themen öffentlich werden. Denn Unschärfen in der Umsetzung bergen die Gefahr eines  Eingriffs in den Wettbewerb.

Klare Spielregeln notwendig

Wir befinden wir uns in internationalen Märkten. Produkte werden über die Landesgrenzen hinaus gehandelt. Zudem wird eine Vielzahl der rechtlichen Vorgaben – wie etwa für die Kennzeichnung von Lebensmitteln – zunehmend auf EU-Ebene geregelt.

An diesen Punkten wird auch deutlich, dass das Portal eine große Herausforderung für den Gesetzgeber beinhaltet: Unternehmen oder ihre Produkte werden kritisiert, obwohl Aufmachung und Inhalt rechtskonform sind. Aber sollen Gesetze, die auf rechtsstaatlichen Grundlagen entstanden sind, auf dem Rücken der Unternehmen diskutiert werden? In einem Medium wie dem Internet, das zwar enorme Transparenz, aber auch großes Potential als „Stimmungsmacher“ bietet? Wie reagiert die Politik auf ein dort entstandenes Meinungsbild?

Die Unternehmen sind skeptisch: Unternehmen, Marken und Märkte werden in einem Internet-Portal mit staatlicher Legitimation zur Diskussion gestellt und möglicherweise zu Unrecht in ihrem Ansehen beschädigt. Daher ist es für Handelsunternehmen auch unabdingbar, dass die Einkaufsstätte, die auf die Aufmachung der Produkte keinen Einfluss hat, nicht genannt wird.

Wer größtmögliche Transparenz wünscht, muss alle Beteiligten in die Entscheidungen einbeziehen: in einen fairen und gleichberechtigten Prozess, der die unterschiedlichen Bedürfnisse aller berücksichtigt. Der starke politische Wille, mit der die Initiative getragen wird, darf nicht dazu führen, dass ein öffentlicher Pranger entsteht.

Die drei geplanten Bereiche des Internetportals

a. Informationsbereich

In diesem Bereich soll neutral über generelle Fragen zur Kennzeichnung von Lebensmitteln informiert werden. Aktuelle Aspekte der Lebensmittelkennzeichnung werden dargestellt und erläutert.

b. Produktbezogener Bereich

Im produktbezogenen Bereich werden Produkte eingestellt, die Verbraucher als täuschend empfinden. Die Internetredaktion nimmt dann Kontakt zum Hersteller auf und gibt diesem Gelegenheit, binnen einer bestimmten Frist eine Stellungnahme zum konkreten Täuschungsvorwurf abzugeben

c. Diskussionsbereich

Angeboten werden Expertenforen sowie zeitlich begrenzte Chats, an denen sich auch die Wirtschaft beteiligen kann. Zudem soll ein „Kummerkasten“ eingerichtet werden, in dem die Verbraucher ihre Meinung zu verschiedenen Themen kund tun können.