Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Kartoffelgeschäftsbedingungen neu gefasst

Am 1. Juli 2011 wird die Handelsklassenverordnung für Speisekartoffeln aufgehoben. Dies nahm der Ausschuss der Spitzenverbände der Kartoffelwirtschaft unter Mitwirkung des Bundesernährungsministeriums (BMELV) zum Anlass, die Deutschen Kartoffelgeschäftsbedingungen so rechtzeitig zu überarbeiten, dass künftig alle Marktteilnehmer weiter auf dieser Grundlage handeln können. Als Mitglied des Ausschusses brachte der BVL die wesentlichen Anliegen des Handels in die Überarbeitung ein und erreichte, dass die Qualitätsnormen „Extra“ und „I“ erhalten bleiben.

Die Deutschen Kartoffelgeschäftsbedingungen - besser bekannt unter der Bezeichnung "Berliner Vereinbarungen" (BV) - sind seit über 80 Jahren Grundlage des innerdeutschen Kartoffelhandels. Sie werden immer wieder der aktuellen Rechtslage angepasst und haben sich in der täglichen Praxis bewährt.

Während die wesentlichen Anliegen des Handels in der abschließenden Überarbeitung der Berliner Vereinbarungen berücksichtigt wurden, zum Beispiel die auch vom BMELV unterstützte Beibehaltung der Qualitätsnormen „Extra“ und „I“, wurden die Begriffe „Klasse“ und „Kategorie“ vom BMELV als rechtlich nicht durchsetzbar eingestuft. Hier einigte man sich auf den Begriff „Qualität“, der auch zuvor vom Handel optional mitgetragen worden war.

Wegfall schafft neue Freiheiten

Mit der Aufhebung der Handelsklassenverordnung am 1. Juli 2011 entstehen im Kartoffelhandel neue Freiheiten. Das betrifft zum Beispiel die Kennzeichnung der Ware gegenüber dem Verbraucher. Hingegen stellen die Berliner Vereinbarungen auch künftig die Dokumentation der Handelsbräuche im Kartoffelhandel und der empfohlenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen dar und sind damit eine Grundlage für die Vertragsgestaltung in allen Stufen der Kartoffelwirtschaft. Einzelvertragliche Regelungen bleiben dabei jedoch immer möglich.

Die Berliner Vereinbarungen enthalten eine umfassende Regelung der wesentlichen beim Handel mit Kartoffeln anfallenden Rechtsfragen. Werden sie Vertragsbestandteil, müssen nur noch die individuellen Vertragsbestandteile wie Menge, Sorte, Preise und Termine vereinbart werden. Der Zusatz im Vertrag „im Übrigen gelten die Deutschen Kartoffelgeschäftsbedingungen Berliner Vereinbarungen neueste Fassung“ reicht aus, sie zum Vertragsbestandteil zu machen.

Künftig: Qualität I und Qualität Extra

In den Berliner Vereinbarungen werden weiterhin zwei Qualitätsnormen verankert, die alle Eigenschaften so präzise definieren, dass es keiner weiteren Konkretisierung im Vertrag bedarf:

- Qualität I: ihre Merkmale entsprechen exakt denen der alten Handelsklasse I;

- Qualität Extra: ihre Merkmale entsprechen exakt denen der alten Handelsklasse Extra.

In die Berliner Vereinbarungen eingeführt wird eine neue Kategorie „Feldware". Diese bislang nicht generell gegebene Möglichkeit erleichtert insbesondere den Erzeugern den raschen und klaren Vertragsabschluss für die Lieferung solcher Ware. Feldgewachsene Ware bedarf keiner zusätzlichen Regelung der Qualität. Die Ware ist wie folgt zu liefern: “Ist die Lieferung von „Feldware“, „feldgewachsen“ oder sinngemäß entsprechend vereinbart, müssen die Kartoffeln in der natürlichen Größenzusammensetzung der Partie geliefert werden, so wie sie aufgesammelt worden sind, ohne Beimengungen oder Entnahme von gesunden Knollen. Eine Partie Feldware kann aus zwei Gründen verweigert werden: wenn sie mehr als 35 Prozent mangelhafte Kartoffeln, Erde, Fremdkörper oder lose Keime enthält und wenn sie mehr als 2 Prozent Kartoffeln mit Fäule (insbesondere Nass-, Trocken-, oder Braunfäule) enthält. Es genügt, wenn einer der genannten Fälle eintritt.

Pflicht zur Sortenkennzeichnung entfällt

Um den hohen Qualitätsanspruch des innerdeutschen Kartoffelhandels auch in Zukunft zu garantieren, ist weiterhin auf allen Handelsstufen mit Angabe der Sorte die Ware sortenecht und sortenrein zu liefern. Mit dem Wegfall der Handelsklassenverordnung entfällt jedoch die Pflicht, auch dem Verbraucher gegenüber eine Sorte anzugeben. Damit erhält der Lebensmitteleinzelhandel eine neue Handlungsfreiheit.

Die Berliner Vereinbarungen stellen ihm frei, mit seinem Partner zu vereinbaren, wie die Ware gekennzeichnet werden soll - ob mit Sortenangabe oder ohne eine solche Kennzeichnung. Durch die weiterhin vorgeschriebene Pflicht zur Sortenangabe, Sortenechtheit und Sortenreinheit bei allen Vorstufen ist jedoch sichergestellt, dass der Abpacker auch in Zukunft in der Lage sein wird, wenn vom Vertragspartner gewünscht, Endverbrauchsverpackungen mit Sortenkennzeichnung zu liefern.

Begutachtung und Schiedsgericht

Die Verfahren zur Probenziehung und Begutachtung bei Sortenechtheits- und Sortenreinheitsprüfungen für ein Gutachten, das bei der Sachverständigenbenennungsstelle beantragt wurde, wurden entsprechend den inzwischen üblich gewordenen Standards so konkretisiert, dass nicht repräsentative Zufallsergebnisse bei diesen Prüfungen möglichst vermieden werden.

Sollte es trotz Vereinbarung der Berliner Vereinbarungen bei der Vertragsabwicklung einmal zu Differenzen kommen, sehen diese - wie schon seit Jahrzehnten bewährt – ein Branchenschiedsgericht vor. Hier können alle Streitigkeiten rasch und günstig durch ein Schiedsgericht, besetzt von Kartoffelfachleuten, entschieden werden. Die teure und zeitaufwändige Einholung von gerichtlichen Sachverständigengutachten wird dadurch entbehrlich.

Neue Fassung gilt ab 1. Juli 2011

Die Berliner Vereinbarungen in der jetzt verabschiedeten Form treten mit dem Wegfall der Handelsklassenverordnung am 1. Juli 2011 in Kraft. Zudem ist beabsichtigt, die Neuerungen in Schulungen und ausführlichen Pressebeiträgen im 1. Halbjahr 2011 ausführlich vorzustellen.