Hitziger Start ins neue Jahr
Weil ein Hersteller tonnenweise dioxinverseuchtes Futtermittel an seine Kunden geliefert hat, mussten tausende Bauernhöfe gesperrt werden. Der Absatz von Eiern, Geflügel- und Schweinefleisch ging vorübergehend spürbar zurück. Die in den Produkten nachgewiesenen Grenzwertüberschreitungen bedeuteten nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für die Gesundheit der Verbraucher.
So oder so ähnlich ließen sich die Geschehnisse auf den Punkt bringen, die Politik, Verbände und Öffentlichkeit zu Beginn dieses Jahres in Atem hielten. Um zweierlei von vornherein klar zu stellen: Erstens. Technische Fettsäuren haben in Futtermitteln nichts zu suchen! Deshalb ist es wichtig, dass die zuständigen Behörden ihre Ermittlungen mit Nachdruck zum Erfolg führen und dass der bereits bestehende Strafrahmen konsequent ausgenutzt wird.
Technische Fettsäuren haben in Futtermitteln nichts zu suchen
Zweitens. Dioxin ist ein Gift, das leider überall in der Umwelt vorkommt. Der Übergang in die Nahrungskette und damit die langfristige Aufnahme kleiner Dioxin-Mengen im Körper ist daher unvermeidbar. Deshalb gibt es zum Schutz der Verbraucher Grenzwerte für Lebensmittel und Höchstgehalte für die tägliche, gesundheitlich unbedenkliche Aufnahmemenge. Laut BfR sind diese Höchstgehalte selbst bei übermäßigem Verzehr von Lebensmitteln, die über den Grenzwert hinausbelastet waren, nicht annähernd ausgeschöpft worden. Das ist keine Verharmlosung des Sachverhalts. Da sich Dioxine im Körper anreichern, ist es wichtig, die Belastung so gering wie möglich zu halten. Doch in der hitzigen Mediendebatte wurden solche Argumente viel zu wenig gehört.
Wie immer ist die Grenze zwischen legitimer Empörung und künstlicher Aufgeregtheit in solchen von Medien getriebenen Skandalen fließend. Es steht zwar auf einem anderen Blatt, wie viel die Forderungen nach einer Agrarwende und die nach dem Rücktritt der zuständigen Bundesministerin wirklich noch mit den wahren Ursachen und Problemen des Skandals zu tun hatten. Über die Medien transportiert, zwang der öffentliche Druck jedoch die Politik zum Handeln. Das Ergebnis ist der 14-Punkte-Aktionsplan.
Schutzbedürfnis von Verbrauchern und Unternehmen angemessen berücksichtigen
Grundsätzlich unterstützt der Einzelhandel die von Bund und Ländern vereinbarten Maßnahmen. Sie enthalten wirkungsvolle Elemente – wie beispielsweise die Trennung der Produktionsströme– die das Risiko einer Wiederholung solcher Vorfälle minimieren. Dennoch sieht der Einzelhandel im Detail dringend Verbesserungsbedarf, um das berechtigte Schutzbedürfnis der Verbraucher mit dem der Wirtschaft in ein angemessenes Verhältnis zu setzen. Das betrifft vor allem die nun vorliegenden Vorschläge für eine Novelle des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches(LFGB-Novelle). In der darin geforderten Ausdehnung der Meldepflicht auf Betreiberprivater Labore und auf gesundheitlich nicht erwünschte Stoffe, sieht der Einzelhandel nicht nur hohe administrative Belastungen auf die Unternehmen zu kommen. Auch für die zuständigen Behörden in den Bundesländern dürfte der durch den interbehördlichen Abstimmungs-und Informationsbedarf ausgelöste Bürokratieaufwand erheblich sein. Wie die gesammelten Datenmengen zur Minimierung des Risikos erneut auftretender Lebensmittelskandale beitragen können, wird auch durch die Gesetzesbegründung nicht klar.
Darüber hinaus soll in der LFGB-Novelle eine Vorschrifteingeführt werden, die die Behörde unter Nennung des Unternehmens zur sofortigen Veröffentlichung von Überwachungsergebnissen verpflichtet. Diese Maßnahme entspricht nach Auffassung des Einzelhandels aber nur dann dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, wenn dem Betroffenen zumindest das Recht zur Anhörung eingeräumt wird – zumal weder ein Widerspruch noch eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung habensollen. Der Gesetzestext ist in dieser Frage jedoch nicht eindeutig formuliert. Um sowohl Rechtsklarheit zu erreichen als auch den Behörden den Gesetzesvollzug zu erleichtern, muss an dieser Stellenachgebessert werden.
Eigenkontrollen der Wirtschaft haben sich bewährt
So wichtig die auf den Weg gebrachten Maßnahmen von Bund und Ländern auch sind, haben die aktuellen Vorgänge um Dioxin belastete Futter und Lebensmittel aber auch gezeigt, dass sich die Eigenkontrollen der Wirtschaft als zuverlässiges Instrument der Qualitätssicherung bewährt haben. Sie sind eine wichtige Säule der Lebensmittelsicherheit. In Verbindung mit staatlichen Kontrollen gewährleisten die Qualitätssicherungssysteme der Wirtschaft einen wirkungsvollen Verbraucherschutz. Ein zügiger Informationsfluss zwischen den privaten und staatlichen Kontrollsystemen ist ein wesentlicher Baustein zur Überwachung der Einhaltung bestehender Rechtsvorschriften. Gleichwohlmüssen die Unternehmensrechte gewahrt bleiben. Neue Gesetze dürfen nicht einseitig zu Lasten der Wirtschaft ausgestaltet werden. Hier sieht der Einzelhandel Verbesserungspotenzial. Er fordert, dass Bund, Länder und Kommunen den Informationsaustauschmit den Qualitätssicherungssystemen der Wirtschaft effizienter gestalten. Gerade in Krisenzeitenwird dadurch eine schnellere Eingrenzung des Problems erreicht.