Gewissenhafter Umgang mit Nahrungsmitteln - Lebensmittelhandel hat Bestände im Griff
Nach statistischen Erhebungen des EHI Retail Institute schlagen Bruch und Verderb im deutschen Lebensmittelhandel mit durchschnittlich 1,06 Prozent vom Nettoumsatz zu Buche. Dieser Durchschnittswert bezieht sich auf das gesamte Sortiment von Cash & Carry-Märkten, SB-Warenhäusern und Supermärkten verschiedener Größenklassen.
Die Bandbreite der wegen Bruch und Verderb erfassten Abschriften liegt zwischen 0,3 und 2,0 Prozent und sie wird wesentlich von der Struktur einzelner Sortimente bestimmt. Hohe Frischeanteile bei gleichzeitig sehr niedrigen Nonfood-Anteilen führen dazu, dass die Quote insgesamt höher ausfällt. Umgekehrt dürften die Harddiscounter, die zu dieser Untersuchung des EHI keine Werte beigesteuert haben, eindeutig am unteren Ende der Skala positioniert sein und den erfassten Durchschnitt weiter senken.
Bruch und Verderb von Lebensmitteln können in der Branche nicht vollständig erfasst werden. Die nicht erfassten Werte führen daher zu Inventurdifferenzen. Doch selbst wenn man von den durchschnittlichen Inventurdifferenzen im Lebensmittelhandel (knapp 0,6 Prozent des Nettoumsatzes) noch einen Teil als Bruch und Verderb einstuft, übersteigt der Wert für nicht mehr verkaufbare Lebensmittel die Einprozentmarke nicht wesentlich.
Vermeidung von Verderb durch synchronisierte Produktion
Die Warenwirtschaftssysteme der Branche sind heute so ausgefeilt, dass die Warenversorgung immer besser an die tatsächliche Nachfrage der Konsumenten angepasst wird. Durch kürzere Bestellrhythmen und kleinere Bestellmengen werden hohe Bestände und damit insbesondere bei verderbgefährdeten Produkten hohe Abschriften vermieden. Zwar sind die Abschriften bei Obst und Gemüse, Brot und Backwaren besonders hoch, aber auch hier greifen moderne Warenwirtschafts- und Logistiksysteme immer besser.
Die Optimierung der warenwirtschaftlichen Prozesse geht dabei heute längst über die Grenzen einzelner Unternehmen hinaus. Einzelhandel, Großhandel, Nahrungsmittelindustrie und Erzeuger vernetzen sich zunehmend vertikal und tragen gemeinsam dafür Sorge, die Herstellung von Nahrungsmitteln weitgehend mit dem tatsächlichen Verbrauch zu synchronisieren.
Und natürlich ergreift die Branche auch im Tagesgeschäft vielfältige Maßnahmen, um den Verderb von Nahrungsmitteln zu verhindern. Durch regelmäßige Kontrolle von Mindesthaltbarkeitsdaten oder die Produktqualität in den Frischebereichen können frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um vom Verderb gefährdete Produkte noch rechtzeitig zu verkaufen. Sonderaktionen oder Preisreduzierungen gehören zur täglichen Praxis und werden vom Konsumenten gerne akzeptiert.
Sinnvoll verwenden statt wegwerfen
Deutlich zugenommen hat in den letzten Jahren die Zusammenarbeit des Lebensmittelhandels mit den Tafeln. Die Tafeln sind heute professionell organisiert und viele Unternehmen in der Branche arbeiten inzwischen eng und regelmäßig mit der Tafelorganisation zusammen. Zwar liegen keine genauen statistischen Zahlen dazu vor, welches Warenvolumen vom Lebensmittelhandel pro Jahr an die Tafeln weitergereicht wird, sicher ist aber, dass dadurch aus der einprozentigen Abschriftenquote für Bruch und Verderb ein nennenswerter Teil einer sinnvollen Verwendung zugeführt wird.
Auch der steigende Anteil von frischen Fertigprodukten im Lebensmittelhandel bietet durchaus Chancen, den Verderb von Produkten zu vermeiden. Eine Paprika mit Druckstellen kann als Ganzes heute kaum verkauft werden, sie ist aber in einer fertig geschnittenen Gemüsemischung durchaus noch verwertbar. Auch ein deformierter Apfel, der in der Obststeige zwischen vielen wunderschönen Exemplaren kaum noch an die Kunden zu bringen ist, hat im fertig zubereiteten Obstsalat eine wesentlich bessere Verkaufschance.
Optimierte Verpackung reduziert Bruch und Verderb
Auch die Verpackung von Nahrungsmitteln dürfte einen Beitrag dazu leisten, dass immer weniger Nahrungsmittel während der Distributions- und Verkaufprozesse zerstört werden und auch dazu, dass die Haltbarkeit der Lebensmittel insgesamt erhöht wird.
Dass all diese Maßnahmen nicht nur im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Lebensmitteln ergriffen werden, soll hier gar nicht bestritten werden. Natürlich hat der Handel ein großes Interesse daran, Bruch und Verderb von Lebensmitteln zu vermeiden. Denn: Je geringer die Abschriften, desto niedriger die Kosten und desto niedriger können auch die Preise insgesamt kalkuliert werden, was dann wiederum zu einer Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit führt.
Stufenübergreifende Initiativen erforderlich
Zurzeit häufen sich die Berichte, dass in den hoch entwickelten Volkswirtschaften insgesamt 50 Prozent aller produzierten Nahrungsmittel nicht in den Mägen der Verbraucher, sondern im Müll landen. Diese zurzeit und sicherlich auch in der Zukunft intensive Medienberichterstattung über die Verschwendung von Nahrungsmitteln ist gut und wichtig, um die Sensibilität für dieses Thema weiter zu erhöhen.
Vor dem Hintergrund einer in den nächsten 40 Jahren von sechs auf neun Milliarden wachsenden Weltbevölkerung müssen wir uns diesen Fragen sehr intensiv widmen. Im Handel selbst ist die Quote für Bruch und Verderb allerdings schon heute so gering, dass hier kaum substantielle Fortschritte möglich sein werden. Ohne eine die Wertschöpfungsketten übergreifende Diskussion zwischen Verbrauchern, Handel, Ernährungsindustrie und Landwirtschaft, die gleichzeitig international geführt wird, wird es also nicht gehen.