Aktuelles zum Thema Lebensmittelkennzeichnung
1. „Auftauhinweis“ passend zur Grillsaison
Nach einer Neuregelung in der Ersten Verordnung zur Änderung von Vorschriften zur Durchführung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechts wurde die Frage, wann ein mariniertes Schweinenackensteak mit einem Auftauhinweis gekennzeichnet werden muss und wann nicht, nun eindeutig geklärt. Entscheidend ist der Zeitpunkt des Marinierens: Erfolgt das Marinieren vor dem Einfriervorgang, dann ist eine entsprechende Kennzeichnung erforderlich; erfolgt das Marinieren nach dem Auftauen, dann ist eine Kennzeichnung obsolet. Dies gilt für lose und verpackte Ware gleichermaßen.
Frage beschäftigte OVG
Streitigkeiten, die sich damit erledigt haben dürften, gingen bis vor das Oberverwaltungsgericht (OVG). Das OVG Rheinland-Pfalz hatte sich in zweiter Instanz mit einem Fall zu befassen, in dem es um den Auftauhinweis ging: Im Sommer 2006 hatte es die Behörde – noch auf die alte Rechtslage gestützt – dem Mitarbeiter eines Unternehmens zunächst untersagt, tiefgefrorenes Fleisch aufzutauen und in ganz oder teilweise aufgetautem Zustand ohne den Hinweis “aufgetaut – sofort verbrauchen“ an die Verbraucher abzugeben. Dies gelte insbesondere für tiefgefrorenes Fleisch, das nach vollständigem oder teilweisem Auftauen gewürzt und in dieser Form, z. B. lediglich als „Nacken- oder Rückensteak vom Schwein“ gekennzeichnet, an die Verbraucher abgegeben wurde. Später hatte die Behörde die Verfügung geändert. Das OVG hat den Rechtsstreit daraufhin in der Hauptsache für erledigt erklärt, aber ausgeführt, dass der Hinweis „aufgetaut“ hier sogar zur Irreführung des Verbrauchers geeignet war und die ursprüngliche Verfügung auch insoweit rechtswidrig war. Denn der Hinweis – so das OVG – konnte dahingehend missverstanden werden, das so gekennzeichnete gewürzte Steak sei als solches tiefgefroren und anschließend aufgetaut worden.
Gesetzgeber schafft jetzt Klarheit für lose Ware
Die o. g. aktuelle Artikelverordnung, die am 21. Mai 2010 in Kraft trat, beinhaltet in Artikel 2 (Änderung der Tierischen Lebensmittel-Hygieneverordnung) eine Regelung zum Inverkehrbringen bestimmter aufgetauter Lebensmittel tierischen Ursprungs. Nach § 16a dürfen Fleisch, Hackfleisch und Fleischzubereitungen (dazu gehört z. B. das marinierte Schweinenackensteak), die nach der Herstellung gefroren oder tiefgefroren worden sind, in aufgetautem oder teilweise aufgetautem Zustand unverpackt nur dann an die Verbraucher abgegeben werden, wenn gut sichtbar und eindeutig mit der Angabe „aufgetaut“ auf diesen Zustand hingewiesen wird. Damit steht im Umkehrschluss fest, dass dieser Auftauhinweis nicht nötig ist, wenn sie vor der Herstellung eingefroren waren, d. h. das marinierte Schweinenackensteak bedarf keines Auftauhinweises, wenn der Marinadevorgang nach dem Einfrieren und Auftauen des Fleisches erfolgte. Dies gilt nach der zitierten neuen Verordnung für die unverpackte Ware.
Klarheit für verpackte Erzeugnisse bereits seit Sommer 2007
Für die verpackten Erzeugnisse war bereits im August 2007 in der Durchführungsverordnung zum gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerecht eine entsprechende Regelung geschaffen worden. Diese Artikelverordnung beinhaltet nämlich eine Änderung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung: Nach § 4 Absatz 5 gilt, dass die Verkehrsbezeichnung durch die Angabe „aufgetaut“ ergänzt wird, wenn das Lebensmittel gefroren oder tiefgefroren war und die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Verbraucher einen Irrtum herbeizuführen.
Nun sollte also Klarheit herrschen und zwar für verpackte und lose Erzeugnisse, zumindest hinsichtlich des Auftauhinweises.
2. EU-Lebensmittelkennzeichnungsverordnung
Nun zu der sich bereits seit langem in der Diskussion befindlichen EU-Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, die der HDE und EuroCommerce bereits seit Anfang 2008 sehr eng verfolgen. Das Europäische Parlament hat Mitte Juni dieses Jahres die Erste Lesung beendet, d. h. nach fast zweieinhalb Jahren seine Meinung zu dem Verordnungsvorschlag festgezurrt. Das Ergebnis hat viel Licht, aber auch Schatten.
Pluspunkte aus Sicht des Handels
Zunächst ist klar auf der Habenseite zu vermerken, dass sich die Abgeordneten gegen eine verpflichtende Ampelkennzeichnung oder farbliche GDA-Kennzeichnung ausgesprochen haben. Damit dürfte dieses, zuletzt besonders in Deutschland heiß diskutierte Thema vom Tisch sein. Positiv zu vermerken ist auch, dass die Forderungen des Handels hinsichtlich einer klaren Regelung für eine gestufte Verantwortlichkeit zwischen Handel und Industrie gehört worden sind und eine entsprechende Regelung das Votum der Mehrheit der Abgeordneten fand.
Ein weiterer Pluspunkt: die Abgeordneten sind nicht der Idee der Kommission gefolgt, eine feste Schriftgröße für Kennzeichnungselemente zu verankern; stattdessen sollen zusammen mit den betroffenen Akteuren verbindliche Leitlinien erstellt werden, in denen geklärt werden soll, wann etwas lesbar ist und wann nicht. Auch das Thema der Kennzeichnung der losen Ware wurde gut gelöst. Bei loser Ware sind die Angaben über Allergene bereitzustellen: In diesem Fall muss deutlich sichtbar im Verkaufsraum oder in den Speisekarten darauf hingewiesen werden, dass Kunden Informationen zu allergenen Stoffen im Verkaufsgespräch und/oder durch ausliegendes Informationsmaterial erhalten können und eine Kreuzkontamination nicht ausgeschlossen werden kann.
Was sind die Schattenseiten?
Nun zu den Schattenseiten der Entscheidung der Abgeordneten: Die Nährwertkennzeichnung wird Pflicht. Dies überrascht zunächst nicht; aber die Pflichtnährwertkennzeichnung soll künftig 10 Elemente beinhalten: Energie und die Gehalte an Fett, gesättigten Fettsäuren, Zucker und Salz, Eiweiß, Kohlenhydraten, Ballaststoffen sowie an natürlichen und künstlichen Transfettsäuren. Zusätzlich zur Nährwertkennzeichnung muss – nach den Vorstellungen der Abgeordneten - die Energieangabe auf der Vorderseite der Verpackung erscheinen und zwar in der rechten unteren Ecke von einem Kasten umrahmt in drei Millimeter Schriftgröße. Darüber hinaus wird die GDA-Kennzeichnung ebenfalls Pflicht. Auch sollen die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig über die Herkunft vieler Produkte Genaues erfahren, was zu erheblichen Problemen in der Praxis führen wird. Das Herkunftsland bzw. der Herkunftsort ist bei Fleisch, Geflügel, Molkereiprodukten, frischem Obst und Gemüse und anderen Erzeugnissen aus einer Zutat anzugeben. Dies soll auch dann gelten, wenn Fleisch, Geflügel und Fisch als Zutat in verarbeiteten Erzeugnissen verwendet werden. Für Fleisch und Geflügel hat eine Zuordnung der Länder nach Geburtsort, Aufzucht und Schlachtung zu erfolgen. Sollten Umstände vorliegen, die eine Angabe des Herkunftslandes unmöglich machen würden, so kann stattdessen folgende Angabe gemacht werden: "unbestimmter Ursprung“.
Wie gehts weiter?
Damit ist die Diskussion aber noch nicht zu Ende. Die Stellungnahme der Europäischen Kommission ist in Kürze zu erwarten; Änderungen an dem Verordnungsvorschlag, die die Kommission bis zum Erlass eines Gemeinsamen Standpunktes durch die Mitgliedstaaten vorschlagen kann, sollen voraussichtlich im September veröffentlicht werden. Die belgische Ratspräsidentschaft plant eine Verabschiedung eines Gemeinsamen Standpunktes durch die Mitgliedstaaten Ende des Jahres. Hier ist mit Abweichungen zum Parlamentsvotum zu rechnen und zwar insbesondere in folgenden Bereichen: Elemente der Pflichtnährwertkennzeichnung, GDA-Angaben freiwillig, Zulassung nationaler Kennzeichnungssysteme und Stufenverantwortung.
Anschließend folgt die Zweite Lesung im Europäischen Parlament. Aus diesem Prozess, den wir zusammen mit EuroCommerce eng begleiten, können sich also noch weitere Änderungen ergeben. Es bleibt also spannend und der HDE bleibt am Ball!