Bundestagswahl 2025
Verbände-Allianz für die Zukunft des Lebensmittelsektors
Agrarstandort Deutschland: „Gemeinsam für eine starke deutsche Landwirtschaft“
Gemeinsame Positionierung des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), des Deutschen Bauernverbands (DBV)
und des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) zur Bundestagswahl 2025

Impulse des Lebensmittelhandels zur Bundestagswahl 2025
Der deutsche Lebensmittelhandel bringt sich auf vielfältige Weise politisch ein, um die Rahmenbedingungen für eine verlässliche, hochwertige, preiswerte und nachhaltige Lebensmittelversorgung zu erhalten und auszubauen. Die aus der Bundestagswahl herausgehende neue Bundesregierung wird zentrale Weichenstellungen vornehmen. Damit diese die Lebensmittelkette wirkungsvoll stärken, hat der deutsche Lebensmittelhandel praxistaugliche Vorschläge erarbeitet.
Wir versorgen Deutschland – hochwertig, preiswert und nachhaltig

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln ist eine systemrelevante Aufgabe. Die tägliche Bereitstellung vielfältiger, hochwertiger Lebensmittel bedarf enormer Aufwände und engmaschiger Prozesse in den Bereichen Produktion, Logistik, Märkte, Mitarbeitende und Verbraucher. Der deutsche Lebensmittelhandel erbringt diese Leistung in jeder Kommune und Stadt des Landes. Durch einen sehr leistungsfähigen und effizienten Lebensmittelhandel verfügt Deutschland über ein europaweit einzigartiges Niveau an Preiswürdigkeit, hohen Qualitätsstandards und Nachhaltigkeitsbestrebungen. Der Handel erhält durch intensiven Wettbewerb stetig die Balance zwischen wettbewerbsfähigen Preisen und hoher Qualität für die Verbraucher, dem Schutz von Tier und Umwelt und auskömmlichen Preisen für Landwirte und Lieferanten. Die Endverbraucherpreise bilden sich durch Angebot und Nachfrage. Eine besondere Rolle kommt dabei den starken Zwischenstufen wie der Fleischwirtschaft, Molkereien sowie der globalen Markenindustrie zu. Der große Exportanteil, insbesondere bei Fleisch und Milch, prägt die Erlösmöglichkeiten der Landwirte. Lebensmittel werden aus der ganzen Welt bezogen und durchlaufen komplexe Lieferketten. Zusammengesetze Produkte beinhalten vielfach Rohstoffe aus einer Vielzahl von Ländern. Auch die direkten Vertragsbeziehungen sind sehr heterogen. So steht ein nationaler Händler sowohl mit globalen Markenherstellern als auch mit lokalen Produzenten und Landwirten in Beziehungen.
Die jüngsten Krisen haben gezeigt, wie groß das Engagement seitens des Lebensmitteleinzelhandels ist, die Lieferketten und damit die Warenverfügbarkeit in den Märkten aufrechtzuerhalten. Nichtsdestotrotz wird auch der Lebensmitteleinzelhandel mit immer mehr bürokratischen Herausforderungen und Auflagen konfrontiert, die die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen negativ beeinträchtigen.
Die Politik hat an dieser Stelle die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen hin zu einer leistungsstarken, resilienten und souveränen Lebensmittelkette zu setzen. Dabei sollte die Wertschöpfungskette umfassend betrachtet und die Komplexität, Vielschichtigkeit der Abläufe und Abhängigkeiten berücksichtigt werden. Die frühzeitige gemeinsame Erörterung möglicher Problemstellungen und das kollegiale Entwickeln praxisnaher Lösungen stärken die Lebensmittelkette auf nachhaltige Weise.
LEISTUNGSFÄHIGE LEBENSMITTELKETTE
- Lebensmittelkette als systemrelevantes Wirtschaftssegment anerkennen
Die Lebensmittelkette garantiert Versorgungssicherheit und stärkt die Souveränität des Landes. Punktuelle Eingriffe oder nationale Alleingänge beeinträchtigen die Lebensmittelkette, schwächen den Binnenmarkt und mindern den Verbrauchernutzen. Bei sämtlichen politischen Entscheidungen sollten die Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt werden. Auch gilt es, bei der nationalen Implementierung von EU-Gesetzgebung das „goldpating“ zu vermeiden, um einen einheitlichen Binnenmarkt zu gewährleisten. - Kräfte der freien Marktwirtschaft und Verbrauchernutzen wertschätzen
Ein funktionierender Markt erlaubt höchstmöglichste Effizienzen und ein Höchstmaß an Verbrauchernutzen. Politische Entscheidungen sollten verstärkt die Kraft des Marktes und den daraus resultierenden Verbrauchernutzen im Blick behalten. - Geltendes Wettbewerbsrecht konsequent anwenden
Das geltende deutsche und europäische Wettbewerbsrecht bildet einen fundierten Rechtsrahmen, der den Aufsichtsbehörden alle notwendigen Mittel an die Hand gibt, bei etwaigen Verstößen handlungsfähig zu sein. Das Bundeskartellamt stellt dabei die zentrale Marktaufsicht dar. - Einseitige Marktinterventionen vermeiden
Die komplexe Lebensmittelkette wird durch einseitige regulative Eingriffe in ihrer Wirkungsweise negativ beeinträchtigt. Parallele Marktaufsichtsstrukturen sollten vermieden werden. Eine Bündelung der Kompetenz im Bundeskartellamt ist zielführend.
STARKE LANDWIRTSCHAFT
- Landwirte gegenüber der abnehmenden Zwischenstufe stärken
Die Position der deutschen Landwirte kann verbessert werden, indem ihre Verhandlungsposition gegenüber der abnehmenden Zwischenstufe (u. a. Fleischwirtschaft und Molkereien) zum Beispiel durch verbesserte Kooperationsmöglichkeiten auf Erzeugerebene gestärkt wird. - Professionalisierung unterstützen
Die Professionalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung sollte gefördert werden, damit über eine bessere Vermarktung bestmöglichen Erlöse erzielt werden können. Dazu zählt die Erzeugung von Mehrwertprodukten (z.B. Bio, Regionalität, Tierwohl), dem verstärkten Anbau von Eiweißpflanzen, die Nutzung vielfältiger Vertriebswege, langfristiger Partnerschaften sowie eine klare Marktpositionierung. - Nachhaltigkeitsbestrebungen fördern
Die Transformation der Landwirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die auch substanziell durch den Staat gefördert werden sollte. Die Gemeinsame Marktordnung der EU erlaubt die sektorübergreifende Kooperation zum Zwecke der Nachhaltigkeit. Derartige Strukturen sollten von der Politik begünstigt werden. Ergänzende finanzielle Unterstützungen können die Fortschritte beschleunigen. Die Unternehmen des Handels übernehmen schon heute Verantwortung, indem sie selbst Nachhaltigkeitsprogramme umsetzen. - Bürokratie und Auflagen reduzieren
Damit sich die Landwirtschaft wieder verstärkt auf die Erzeugung der Lebensmittel konzentrieren kann, um den eigenen Markterfolg zu stärken, sollten Bürokratie und behördliche Auflagen auf ein Mindestmaß, auch im Lebensmitteleinzelhandel, reduziert werden.
MEHR TIERWOHL
- Finanzierung sicherstellen
Der Umbau der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese Transformation kann nur gelingen, wenn der Staat verbindliche, langfristige Zusagen hinsichtlich einer finanziellen Förderung abgibt. Der BVLH hat sich als Mitglied der Zukunftskommission Landwirtschaft stets konstruktiv eingebracht und unterstützt weiterhin die bisher gefassten Kompromisse für diesen Bereich. - Planungssicherheit gewährleisten
Bei Stallumbauten wird grundsätzlich mit einem Planungshorizont von etwa 20 Jahren kalkuliert. Daher sollte die Politik einen vertraglichen Förderrahmen schaffen, der eine hohe Langfristigkeit gewährleistet. Gleichzeitig gilt es, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. - Kennzeichnung ausbauen
Orientierung und Wertschätzung für bessere Haltung und Herkunft in der tierischen Erzeugung kann seitens der Verbraucher nur entstehen, wenn bei allen Konsumentscheidungen flächendeckend eine wirkungsvolle (sowie einfache und klare) Kennzeichnung implementiert und dabei auf bereits bestehende, erfolgreiche Kennzeichnungssysteme zurückgegriffen wird. Das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz muss daher zügig auf weitere Vertriebswege (z.B. Außer-Haus-Verpflegung) ausgeweitet werden, wobei die zur Einordnung der jeweiligen Haltungsform zugrundeliegenden Kriterien der bereits am Markt etablierten Haltungsform entsprechen müssen. Nur dann bietet diese zusätzliche Kennzeichnung einen Mehrwert. - Rechtsrahmen angleichen
Der Umbau der Tierhaltung hin zu mehr Tierwohl kann nur gelingen, wenn alle weiteren Regularien wie das Bau- und Emissionsrecht an die angestrebten Anforderungen beim Tierwohl angepasst sind, keine Widersprüche bzw. Hindernisse bestehen und keine zusätzliche Bürokratie aufgebaut wird.
VORTEILHAFTE ERNÄHRUNGSUMGEBUNG
- Lebensmittelweitergabe erleichtern
Die Abgabe von überschüssigen Lebensmitteln wird vielfach durch gesetzliche Regelungen beeinträchtigt. Insbesondere Anpassungen des Rechtsrahmens bei Haftung und Kennzeichnung könnten Lebensmittelspenden signifikant erleichtern, ohne dabei mehr bürokratische Herausforderungen für den Handel zu schaffen. - Wirksame Selbstverpflichtungen stärken
Der deutsche Lebensmittelhandel geht in vielfältigen Bereichen selbstständig voran, optimiert die eigenen Angebote und gibt Verbrauchern wichtige Orientierung. Wirksame Selbstverpflichtungen (z.B. Pakt gegen Lebensmittelverschwendung, Reduzierung von Kunststofftragetaschen) sollten daher konsequent gestärkt werden. - Investition in Ernährungsbildung und -forschung
Eine frühzeitige Ernährungsbildung bildet die Grundlage für langfristig gesundes und bewusstes Ernährungsverhalten. Beispielsweise kann eine verstärkte Ernährungsbildung in Kitas und Schulen einen signifikanten Beitrag hierzu leisten. - Verbraucherorientierung verbessern
Verbraucher können eine ausgewogene und nachhaltige Wahl treffen, wenn bei Kennzeichnungssystemen die Expertise des Lebensmittelhandels Berücksichtigung findet.
WIRKUNGSEFFIZIENTE NACHHALTIGKEIT
- Differenzierte und effiziente Stufenverantwortung wahren
Die Bedingungen entlang der Lieferketten können dann verbessert werden, wenn jede Stufe eigenverantwortlich für ihr Handeln geradestehen muss. Hierbei sollte die Beziehung mit den direkten Lieferanten im Mittelpunkt stehen, um eine signifikante Wirkung zu erzielen. Eine Kettenverantwortung bei der letzten Handelsstufe ist operativ nicht durchsetzbar und entbindet alle anderen Stufen von der notwendigen Eigenverantwortung. - Managementsysteme, Zertifizierungen und Safe-Harbor-Regelungen anerkennen
Unternehmen engagieren sich seit vielen Jahren gemeinsam mit unterschiedlichen Organisationen aus dem Nachhaltigkeitsbereich für Verbesserungen in der Lieferkette. Dabei spielen Standards und Zertifizierungssysteme eine zentrale Rolle, beispielsweise seien Zertifikate wie Rainforest Alliance und Fairtrade genannt. Derartige etablierte und anerkannte Systeme sollten bei Sorgfalts- und Berichtspflichten zwingend Berücksichtigung finden. - Sorgfalts- und Berichtspflichten kohärent und schlank ausgestalten
Handelsunternehmen sind bestrebt, ihre umfangreichen Nachhaltigkeitsbestrebungen auch zu dokumentieren. Dieser Aufwand muss jedoch verhältnismäßig sein. Die Berichtspflichten dürfen dabei nicht unnötig Ressourcen binden und so das konkrete Engagement einschränken. Sie müssen daher zwingend synchronisiert und effizient gehalten werden. - Nachhaltigkeitsbestrebungen der Unternehmen anerkennen, Datengrundlage bereitstellen
Klimaschutz gehört zu den größten ökologischen Herausforderungen unserer Zeit und ist ein Schwerpunkt des Nachhaltigkeitsengagement der Unternehmen. Viele orientieren sich bspw. an wissenschaftsbasierten Klimaschutzzielen, um die Treibhausgasemissionen wirkungsvoll zu reduzieren. Dabei geht es auch um Emissionen in den vorgelagerten Stufen der Lieferketten. Um hier vergleichbare Datengrundlagen nutzen zu können, ist eine möglichst einheitliche Definition der Kriterien für die Ermittlung bspw. einzelbetrieblicher CO2-Emissionen notwendig. Zudem sind auf Grund der hohen Kosten und Zeitaufwände für Einzelberechnungen generische Daten auf Betriebs- und Produktebene essentiell. - Unternehmen keine hoheitlichen Pflichten aufbürden
Die Wirtschaft engagiert sich vielfältig, um Nachhaltigkeit in Erzeugerländern und Lieferketten zu stärken. Gleichzeitig ist es zuerst Aufgabe der Politik, eine generelle Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten und zentrale Kontrollpflichten im Dialog mit Drittstaaten umzusetzen.
MODERNE VERSORGUNGSSTRUKTUR
- Bedarfsgerechte Infrastruktur bereitstellen
Grundlagen einer modernen Lebensmittelversorgung sind reibungslose Lieferketten. Die Märkte können nur täglich beliefert werden, wenn eine leistungsfähige Infrastruktur vorgehalten wird. Das gilt auch im Bereich der Energieversorgung, Infrastruktur und auch digitaler Netze. Ausreichende Investitionen in grundlegende Wirtschaftsstrukturen sind unabdingbar um die heutige Leistungsfähigkeit auch nachhaltig aufrecht zu erhalten. - Wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung bei Ladendiebstahl gewährleisten
Ein verlässlicher Rechtsrahmen samt klarer Rechtsdurchsetzung sind Grundpfeiler einer Gesellschaft. Auch in der Wirtschaft muss sichergestellt werden, dass Vergehen wie Ladendiebstahl konsequent verfolgt und geahndet werden. - Verbraucherschutz vereinheitlichen und nationale Alleingänge verhindern
Der Verbraucherschutz ist das höchste Gut im Lebensmittelhandel. Dieser kann nur effizient gelingen, wenn Vorschriften z. B. im Bereich der Lebensmittelkontrolle mindestens national einheitlich ausgelegt und angewendet werden. Generell sollten Standards sogar eher europaweit Anwendung finden, damit keine Flickenteppiche oder wirtschaftliche Nachteile entstehen. - Praxisgerechte Schutzvorschriften bei kritischer Infrastruktur
In zunehmend unsicheren Zeiten kommt dem Schutz der kritischen Infrastruktur eines Landes eine besondere Rolle zu. Der Lebensmittelhandel nimmt hier seine Pflichten sehr ernst. Schutzvorschriften erlangen jedoch nur dann Wirkung, wenn sie gemeinsam und an der Praxis orientiert ausgestaltet werden.