Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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MHD bedroht Fischtheke

Mit großer Irritation musste der Handel dem Kompromissvorschlag zur EU-Fischmarktorganisation entnehmen, dass bei den „Trilog-Verhandlungen“ in letzter Minute eine Vorschrift zur Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums (MHD) bei Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse Eingang in den Vorschlag gefunden hat, die die Fisch-Bedientheke in besonderer Weise trifft. Der BVLH äußerte sein massives Unverständnis und brachte sich national wie auf EU-Ebene mit einer Stellungnahme ein.

Mit Eingang einer spezialrechtlichen Vorschrift zur Angabe des MHD für alle Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse des Kapitels 03 des Europäischen Zolltarifs in die EU-Fischmarktorganisation (GMO) gehen Kommission, EU-Parlament und Rat weit über den Geltungsbereich der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) hinaus, da in der LMIV keine Verpflichtung besteht, lose an den Endverbraucher abzugebende Lebensmittel mit dem MHD oder dem Verbrauchsdatum zu kennzeichnen.

Der BVLH bezog sogleich gegenüber dem Bundesernährungsministerium (BMELV) und gemeinsam mit dem HDE-Büro Brüssel auch auf EU-Ebene Position und erläuterte die erheblichen Probleme bei der praktischen Umsetzung einer MHD-Pflichtkennzeichnung bei loser Ware in der Fisch-Bedientheke.

Irreführung des Verbrauchers

Nach Überzeugung des Handels würde die vorgesehene Angabe des MHD beim Verkauf von beispielsweise losem Frischfisch in der Fisch-Bedientheke den Kunden in die Irre führen. So könnte der Händler das MHD lediglich an den von ihm einzuhaltenden Kühlpflichten/-bedingungen (z. B. Frischfisch bei annähernder Schmelzeistemperatur auf/unter Eis) ausrichten. Da der Verbraucher in seinem Haushalt jedoch Kühleinrichtungen mit üblicherweise höheren Temperaturen nutzt, würde ihm das MHD keine sichere Orientierung liefern bzw. könnte ihm sogar Sicherheiten vortäuschen, die je nach Umständen dann tatsächlich nicht mehr gegeben sind. Auch ist zu berücksichtigen, dass der Verbraucher die Ware zunächst in seinen Haushalt transportieren muss und hier je nach Dauer des Transports und Jahreszeiten weitere nicht unerhebliche Einflussfaktoren hinzukommen.

Praktisch kaum umsetzbar

Ebenso hält der Handel die MHD-Pflicht für losen Fisch in der Bedientheke für technisch kaum umsetzbar. So müssten sämtliche Daten täglich neu im System und auch auf den Schildern in der Theke gepflegt werden. Der zusätzliche administrative Aufwand wäre für die Mitarbeiter in den Geschäften enorm. Zudem würde die MHD-Kennzeichnungspflicht die Thekenschilder vergrößern. Die Attraktivität der Bedientheke würde erheblich leiden. Auch wären die technischen Systeme der Geschäfte und ihre vorgelagerten Stufen nicht in der Lage, die neu geforderten Attribute abzudecken und müssten, soweit technisch möglich, massiv nachgerüstet werden.

Wirtschaftlichkeit würde enorm leiden
Was weitere Aspekte einer praktischen Umsetzung im Thekenbereich betrifft, kommt es immer wieder vor, dass verschiedene Chargen von z. B. Fischfilets einer Art nebeneinander in der Bedientheke zum Verkauf angeboten werden. Die bisherige Praxis hat es häufig nicht erfordert, die Chargen voneinander räumlich zu trennen, wofür in den Theken oft auch nicht das Platzangebot vorhanden ist. Sofern jetzt aber zusätzlich zu den bisher verpflichtenden Angaben auch noch jeweils ein MHD für jede Charge einer gelieferten Fischart anzugeben ist, wäre eine solche Trennung erforderlich, die im Endeffekt dazu führen würde, dass die Wirtschaftlichkeit und damit die Wettbewerbsfähigkeit der Bedientheke zu anderen Vertriebsformen enorm leiden würde.

Ware müsste vernichtet werden

Zudem würde der Verbraucher beim Einkauf üblicherweise darauf bestehen, dass er den Fisch erhält, der das längste MHD aufweist mit dem Ergebnis, dass ältere Ware quasi unverkäuflich wäre, obwohl sie in ihrer Qualität noch in einem hervorragenden Zustand sein kann. Diese Ware müsste schlussendlich vernichtet werden, was wiederum die Abschriften erhöhen, die Wirtschaftlichkeit der Theke weiter senken und dem Anspruch einer nachhaltigen Ressourcennutzung in keiner Weise gerecht werden würde, was nicht gewollt sein kann.

Nutzen mehr als zweifelhaft

Anzumerken ist zudem, dass die Angabe eines MHD für den Verbraucher auch nicht notwendig ist. Fisch in der Bedienungstheke wird regelmäßig zum alsbaldigen Verzehr und nicht auf Vorrat eingekauft. Fragen zur Haltbarkeit und zu den Lagerungsbedingungen werden klassischerweise im Verkaufsgespräch geklärt. Dies ist vom Verbraucher durch jahrzehntelange Praxis auch bei anderen Produkten aus der Bedienungstheke gelernt und akzeptiert. Ein MHD, das der Verbraucher sich merken müsste, da es anderweitig nicht abgedruckt ist, wird schnell wieder vergessen sein, was den Nutzen nochmals deutlich infrage stellt.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage, ob eine derartige Pflichtkennzeichnung, die in vielen Fällen nicht sicher überprüfbar und kontrollierbar ist, als Regelungselement überhaupt die notwendige Rechtssicherheit bietet.

Fischtheke akut gefährdet

Der kurzfristig eingebrachte Vorstoß einer MHD-Pflichtkennzeichnung in der Fisch-Bedientheke, zu der die Wirtschaft im Vorfeld keine Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt bekommen hatte, würde die Praxis ohne Not vor massive Umsetzungsprobleme stellen. Zudem würde die Wirtschaftlichkeit der Fisch-Bedientheken massiv leiden, was den Verkauf von Frischfisch erheblich gefährden könnte. Ein Verlust an Angebots- und Servicevielfalt sowie an Arbeitsplätzen in den Märkten des Handels wäre die Folge.

MHD-Pflicht streichen

Der BVLH wird weitere Allianzen prüfen und die notwendige Unterstützung einfordern, um bei den verantwortlichen EU-Institutionen zu erreichen, dass die MHD-Pflicht gänzlich gestrichen wird oder ein Hinweis erfolgt, dass die Angaben zum MHD im Rahmen der LMIV abschließend geregelt sind.