Rollende Supermärkte: Aktionsradius jetzt ausweiten
Bereits im Jahr 2009 zeichnete eine von der EU-Kommission eingesetzte hochrangige Expertengruppe für Bürokratieabbau, zur Freude der mobilen Kaufleute, einen entsprechenden Vorschlag mit dem ersten Preis für die beste Idee aus. Inhalt des Vorschlages ist es, den spezifischen Anwendungsbereich (Art. 13 Abs. 1 d) der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 von 50 auf 150 km auszudehnen. Dieser Vorschlag sollte von der Kommission kurzfristig aufgegriffen werden.
Forderung nach Ausweitung aufgegriffen
Über das Bundesverkehrsministerium (BMVBS) erhielt der BVL nun den von der Kommission jüngst vorgelegten Verordnungsvorschlag zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006. Gemäß Art. 2 ist nun für Handwerksbetriebe vorgesehen (auch der ambulante Verkauf wird hier zugeordnet), diese bei Entfernungen bis 100 km von den EU-Bestimmungen über Fahrt- und Ruhezeiten sowie von der Fahrtenschreiberpflicht auszunehmen.
Der BVL verdeutlichte in seiner Stellungnahme an die Kommission, dass der Handlungsbedarf erkannt und der Umsetzvorschlag bereits in die richtige Richtung weist. Auch wenn die mobilen Kaufleute einen deutlich größeren Radius von 150 km für notwendig erachten, hofft doch die Branche auf eine dringende Befreiung ihres Geschäftsfeldes von den derzeitigen bürokratischen Hemmnissen, die sich aus der Festlegung des derzeitigen Radius von 50 km ergeben.
Eine Millionen Kundenkontakte pro Woche
Nach Schätzungen sind derzeit in Deutschland rund 1.800 mobile Verkaufsfahrzeuge (Höchstmasse: 7,5 t) vorwiegend im ländlichen Raum im Einsatz, die ein Sortiment im Sinne eines „rollenden Supermarktes“ führen. Aus der Geschäftstätigkeit ergeben sich rund eine Million Kundenkontakte pro Woche. Dabei ist die Branche durchweg mittelständisch geprägt.
Bereits im Jahr 2007 wurde im Rahmen einer intensiven Abfrage der Betroffenheit im mobilen Mitgliederkreis deutlich, dass die Nutzung der Fahrzeuge im Umkreis von 50 km - als eine Voraussetzung, von der Tachographen- und Aufzeichnungspflicht befreit zu sein - nicht mehr den Marktanforderungen entsprach.
Steigender Bedarf an Nahversorgung
Durch die kontinuierliche Ausweitung ländlicher Regionen, deren Nahversorgung oft nur noch durch den mobilen Handel aufrechterhalten werden kann, steigen auch die Fahrstrecken, die von den Händlern zu überbrücken sind, um insbesondere ältere bis hoch betagte, aber oftmals auch kranke und behinderte Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen.
Gleichzeitig schreitet der Strukturwandel innerhalb der mobilen Branche weiter voran. Expansion und Zusammenschlüsse sind auch hier die Instrumente, um im Wettbewerb bestehen zu können. Ein vom mobilen Handel zu nutzender Umkreis von 50 km entspricht schon länger nicht mehr den Erfordernissen vor Ort und behindert die Händler massiv darin, ihre Nahversorgung im ländlichen Raum auszuweiten. So erreichen mobile Kaufleute zunehmend Versorgungsanfragen aus betroffenen Regionen außerhalb vom 50 km-Radius, denen sie nicht nachkommen können, da ihnen sonst die umfangreichen Aufzeichnungspflichten drohen.
Mobile durch bürokratische Lasten ausgebremst
Wird der Radius von 50 km überschritten, sind Fahrer rollender Supermärkte nicht nur der Tachographenpflicht unterworfen, gleichzeitig müssen sie umfangreiche Nachweispflichten hinsichtlich der Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 einhalten, wobei dann auch sämtliche Fahrtätigkeiten innerhalb des Radius hiervon betroffen sind. Daraus resultieren nicht nur in hohem Maße zusätzliche Kosten (Anschaffung von Tachographen), sondern auch eine massive Ausweitung des bürokratischen Aufwandes.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die umfangreichen Aufzeichnungs- und Nachweispflichten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 für Berufskraftfahrer wie Fernfahrer und Omnibusfahrer geschaffen wurden, deren Haupttätigkeit das Lenken eines Fahrzeuges ist. Bei den mobilen Kaufleuten besteht hingegen die Haupttätigkeit im Verkauf ihrer Ware. Das Fahrzeug dient im Wesentlichen dazu, die Ware zu transportieren und die nahegelegene nächste Verkaufsstelle im Rahmen einer Tour zu erreichen. Das heißt, kleinere Fahrten werden immer wieder durch Verkaufstätigkeiten an bestimmten Haltepunkten unterbrochen, wobei die Verkaufstätigkeit zeitlich deutlich überwiegt.
Radius auf 150 km ausweiten
Was die Verkaufsfahrzeuge für ein Vollsortiment an Lebensmitteln betrifft, sind im Wesentlichen Fahrzeuge mit einer zulässigen Höchstmasse von max. 7,5 t im Einsatz. Diese Fahrzeuggröße ist auch zwingend erforderlich, um eine den Grundbedarf sicherstellende Versorgung der genannten Bevölkerungskreise zu ermöglichen. Ein Sortiment von bis zu 2.500 Artikeln benötigt umfangreiche Regalsysteme, Kühleinrichtungen und Tiefkühltruhen sowie Verkaufstische mit Kassensystemen, die ein Fahrzeug mit max. 3,5 t – das von der Auf-zeichnungspflicht befreit ist – nicht transportieren kann.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die rechtlichen Aufzeichnungs- und Nachweispflichten für mobile Kaufleute völlig ungeeignet und praxisuntauglich sind. Auch im Sinne eines dringend notwendigen Bürokratieabbaus fordert der Verband daher erneut, den Umkreis auf 150 km zu erweitern, in dem ein mobiler Händler ohne bürokratische Aufzeichnungs- und Nachweispflichten seinen Beitrag zur Nahversorgung leisten kann. Eine Ausweitung auf 100 km - wie im Verordnungs-vorschlag vorgesehen - reicht hier nicht aus, die ländliche Nahversorgung durch den mobilen Handel für die Zukunft zu sichern.