Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Mit dem Gemeinwohl an der Kasse

Auch Unternehmen tragen zum Gemeinwohl bei. Die Rolle, die der Lebensmittelhandel dabei spielt, haben der BVLH und die Handelshochschule Leipzig wissenschaftlich untersucht.

Sowohl Experten als auch die breite Bevölkerung in Deutschland bescheini­gen dem Lebensmittelhandel einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl. Die Menschen sehen ihn als Kulturträger und Mitgestalter des Gemeinwesens. Dieser Befund ist das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie des Bundes­verbandes des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) zum Gemeinwohl­beitrag der gesamten Branche.

Drei Gemeinwohldimensionen, elf Wertbeiträge
Das Gemeinwohlprofil des deutschen Lebensmittelhandels besteht aus drei Gemeinwohldimensionen, die durch insgesamt elf Wertbeiträge genauer beschrieben werden.

Demnach ist der Lebensmittelhandel ein vielseitiger und zeitgemäßer Ver­sorger, der allen Menschen überall in Deutschland den Zugang zu qualitativ hochwertigen und bezahlbaren Lebensmitteln ermöglicht. Mit einer großen Produktauswahl wirkt er entscheidend daran mit, gesellschaftliche Entwick­lungen in Ernährungstrends zu übersetzen. Damit trägt der Lebensmittel­handel nicht nur zur Verwirklichung unterschiedlicher Lebensstile, sondern auch zur Lebensqualität in Deutschland bei. Er ist auf diese Weise nah an den Bedürfnissen der Verbraucher, die ihm eine gute Leistung in seinem Kerngeschäft bescheinigen. Zudem ist der Lebensmittelhandel ein wichtiger Arbeitgeber, Ausbilder und Abnehmer von Erzeugnissen der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Diese nicht zu unterschätzende volkswirtschaftliche Rolle macht die Branche zu einem relevanten unternehmerischen Mitge­stalter des Gemeinwesens.

Auch die Wirtschaft trägt zum Gemeinwohl bei
„Die Förderung des Gemeinwohls ist zwar Kernaufgabe und Kernkompe­tenz politischen Handelns – gerade jetzt, in einer Zeit, in der die Verunsi­cherung der Menschen und daher ihr Bedürfnis nach Orientierung groß ist. Aber auch Wirtschaftsorganisationen tragen mit ihren Leistungen dazu bei, den Zusammenhalt in einer Gesellschaft zu fördern.

Dieser Tatsache wollen wir mit unserer Studie Rechnung tragen“, erläutert BVLH-Präsident Friedhelm Dornseifer die Motivation des Verbandes, den Gemeinwohlbei­trag des Lebensmittelhandels untersuchen zu lassen. Die Studie zeige nicht nur den Mehrwert, den die Branche für die Gesellschaft leiste und noch darüber hinaus leisten könne. Sie helfe auch, die eigene Rolle bei der Ge­staltung des Gemeinwesens klarer zu definieren und zu kommunizieren. „Dieser Aufgabe wird sich der Bundesverband des Deutschen Lebensmit­telhandels in Zukunft verstärkt annehmen“, so Dornseifer.

Die Studie wurde gemeinsam mit der Handelshochschule Leipzig (HHL Leipzig Graduate School of Management) erstellt. Die wissenschaftliche Federführung lag bei Prof. Dr. Timo Meynhardt, Inhaber des Dr. Arend Oetker Lehrstuhls für Wirtschaftspsychologie und Führung an der HHL. Seine Forschungen haben wesentlich dazu beigetragen, den sozialpsycho­logischen und kontextabhängigen Ansatz der Gemeinwohlevaluierung von Organisation (Public Value) im deutschen Sprachraum bekannt zu machen.

Der Lebensmittelhandel: Verankert in der Mitte der Gesellschaft
Auf Basis dieses Konzepts wird jeder Einfluss, den Organisationen auf ihr gesellschaftliches Umfeld ausüben, als Gemeinwohl- oder auch Public Value-Beitrag bezeichnet. Dieser Wertbeitrag stiftet Nutzen, wenn Organi­sationen individuelle oder kollektive Bedürfnisse befriedigen. Sie handeln also immer dann gemeinwohlorientiert, wenn sie Wertschätzung in der Gesellschaft erfahren und auf diese Weise zu einem funktionierenden Gemeinwesen beitragen.

„Dies gilt insbesondere für eine so deutlich in der Mitte der Gesellschaft verankerte Branche wie den Lebensmittelhandel“, stellt Gemeinwohlexperte Meynhardt fest. Der Lebensmittelhandel habe großen Anteil daran, wie Menschen im Alltag zusammenleben und an welchen Werten, Normen und Regeln sie ihr Verhalten ausrichten. In dieser Alltagskultur bilde sich ab, wie die Sozialverhältnisse jeden Tag aufs Neue produziert und reproduziert würden. Der Lebensmittelhandel stehe genau in der Mitte dieses Kulturge­schehens und sei somit Kulturträger. „Mit den Kunden steht immer auch das Gemeinwohl an der Kasse“, resümiert der Wissenschaftler.

Die Wahrnehmung entscheidet: Experten und Verbraucher befragt
Der Gemeinwohlbeitrag des deutschen Lebensmittelhandels wurde in einem zweistufigen Verfahren ermittelt. Zunächst wurden 30 Experten aus der Wertschöpfungskette, aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft in einem strukturierten Interview befragt. Aus den Gesprächsergebnissen wurde mithilfe einer Public Value Scorecard das Gemeinwohlprofil erstellt. Mit einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung wurde dieses Gemein­wohlprofil im Anschluss überprüft.

Experten und Bevölkerung loben nicht nur die insgesamt gute Gemein­wohlleistung des Lebensmittelhandels. Sie adressieren auch Verbesse­rungswünsche an die Branche. Sie bescheinigen ihr großes Potenzial, ihre Leistungen zum Gemeinwohl ausbauen und dadurch ihren Wert für die Gesellschaft steigern zu können. Die Menschen erwarten, dass der Lebensmittelhandel eine flächendeckende Versorgung auch künftig auf bestehendem Niveau anbietet. Sie erwarten ebenfalls, dass er wirkungs­voller daran mitwirkt, die Lebensmittelwertschätzung zu erhöhen sowie Nachhaltigkeit und Umweltschutz bei der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Lebensmitteln zu verbessern. Darüber hinaus sollte sich der Lebensmittelhandel in höherem Maß dafür engagieren, die Arbeits- und Produktionskultur zu stärken, indem die Branche auf einen fairen Umgang mit Mitarbeitern und Partnern in der Wertschöpfungskette hinwirkt.

Spannungsfelder im Gemeinwohlprofil
Zudem wird dem deutschen Lebensmittelhandel eine wichtige Rolle bei der Mitgestaltung des gesellschaftlichen Transformationsprozesses zugeschrie­ben. Mit der Begründung, er sei die Schnittstelle zwischen Wertschöpfungs­kette und Gesellschaft, sehen vor allem die befragten Experten seine Rolle als Mitgestalter bei Themen, bei denen der Lebensmittelhandel keine Pri­märverantwortung trägt und seine Reichweite begrenzt ist. Im Mittelpunkt stehen hier Aspekte wie gesundheitsfördernde Ernährung, Umweltschutz, nachhaltige Produktions- und Beschaffungswege oder verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln und Nutztieren.

„Die Studie weist damit deutlich auf Spannungsfelder innerhalb des Ge­meinwohlprofils des deutschen Lebensmittelhandels hin“, gibt Meynhardt zu bedenken. Zum einen wird eine Versorgung erwartet, die alle individuellen Wünsche erfüllt, die für alle leistbar und erreichbar ist. Zum anderen werden ein zu vielfältiges Angebot und zu günstige Preise kritisch betrachtet. Zum einen existiert der Wunsch nach strenger Regulierung. Zum anderen sollen ein differenziertes Produktangebot und verschiedene Preislagen die vielfäl­tigen Bedürfnisse aber auch Möglichkeiten der Konsumenten widerspiegeln. Beides floriert wiederum vor allem in einer freien Branche.

Daher empfiehlt Public Value-Forscher Meynhardt, dass der Lebensmittel­handel das ermittelte Gemeinwohlprofil als Ausgangsbasis versteht, um seine tatsächliche Verortung in der Gesellschaft und die damit verbundenen Wirkungsmöglichkeiten zu klären. „Unter dieser Voraussetzung kann die Branche ihre hohen objektiven Leistungen für das Gemeinwohl noch deutli­cher darstellen und ihr gesellschaftliches Mitgestaltungspotenzial noch besser ausschöpfen“, so sein Resümee.

Nähere Informationen zur Studie, ihrer Methode, ihren Ergebnissen und zum angewandten Gemeinwohlkonzept hat der BVLH auf seiner Internet­seite bereitgestellt.