Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Lebensmittelverschwendung – Nein danke!

Millionen Tonnen vernichteter Lebensmittel hier. Dürren, horrende Ernteverluste und hunderte Millionen Hungernde dort. Überfluss auf der einen und Mangel auf der anderen Seite: Das Thema Lebensmittelvernichtung hat ethische und soziale Facetten, aber auch Auswirkungen auf Umwelt und Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund wird das Thema Lebensmittelvernichtung gegenwärtig auch auf europäischer Ebene diskutiert. Die EU-Kommission beabsichtigt nun, die Situation zu analysieren und voraussichtlich im kommenden Jahr Vorschläge für eine Verringerung der Lebensmittelabfälle vorzulegen.

Laut einer im Februar 2011 veröffentlichten Studie der Europäischen Kommission werden jährlich 89 Millionen Tonnen Lebensmittel vernichtet, was sich umgerechnet auf 179 kg pro Kopf beläuft. Diese Lebensmittelverschwendung wird – wenn keine zusätzlichen präventiven Aktionen oder Maßnahmen ergriffen werden – bis 2020 auf nahezu 126 Millionen Tonnen ansteigen. Im Einzelnen fallen laut Studie 39 % der vernichteten Lebensmittel in der Produktion an, 42 % seitens der Verbraucher und nur 5 % im Einzel- und Großhandel. Letzteres entspricht einer Menge von 8 kg und 565 € pro Kopf im Jahr. Doch die Datenlage ist unvollständig, denn diese Zahlen umfassen noch nicht den Verlust bei der landwirtschaftlichen Erzeugung oder den Rückwurf von Fängen ins Meer. 

Das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI kommt in seiner Erhebung vom Sommer 2011 zu Abschriften aus Bruch und Verderb, zumindest für Deutschland zu etwas differenzierteren Ergebnissen: Die Quote der Lebensmittel, die durch Beschädigung oder Verderb in den Filialen des Lebensmitteleinzelhandels nicht mehr verkauft werden können, beträgt im Durchschnitt 1,1 % des Warenwertes aller bezogenen Produkte. 

Diskussionen im Europa-Parlament 

Auch das Europäische Parlament beschäftigt sich gegenwärtig mit dem Thema Lebensmittelverschwendung. Am 30. November 2011 haben zunächst die Abgeordneten des Landwirtschaftsausschusses einen so genannten Initiativbericht zum Thema beraten, der dann am 19. Januar 2012 im Plenum verabschiedet wurde. Die Entschließung ist insgesamt ausgewogen: So vertreten die Abgeordneten unter anderem die Auffassung, dass alle Akteure in der Lebensmittelversorgungskette einbezogen werden müssen, damit die vielfältigen Ursachen der Verschwendung in den einzelnen Sektoren angegangen werden können. Ziel müsse sein, die Lebensmittelverschwendung bis 2025 zu halbieren. Im Einzelnen fordern die Abgeordneten die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten, die Verarbeitungsbetriebe und den Einzelhandel auf, Leitlinien zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen und zur Einführung größerer Ressourceneffizienz in ihrem Abschnitt der Lebensmittelversorgungskette auszuarbeiten sowie auf die ständige Verbesserung von Verarbeitung, Verpackung, Transport und Lagerbewirtschaftung hinzuarbeiten. Direkte Beziehungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern sollten gefördert und die Lebensmittelversorgungskette verkürzt werden. Der Einzelhandel wird aufgerufen, sich an Programmen zur Verteilung von Nahrungsmitteln an Bürger mit mangelnder Kaufkraft zu beteiligen und Maßnahmen durchzuführen, mit denen Preisnachlässe für beschädigte Waren oder Erzeugnisse mit fast abgelaufenem Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdatum ermöglicht werden.

Einzelhandel in der Kritik

Obwohl der Großteil der vernichteten Lebensmittel auf Verbraucherebene anfällt, steht dennoch der Lebensmitteleinzelhandel in der Schusslinie. Dem Einzelhandel wird in der Diskussion unter anderem vorgeworfen, durch seine hohen Vermarktungs- und Qualitätsstandards zur Vernichtung von Lebensmitteln beizutragen. Die Wareneinteilung nach Größe, Gewicht und Beschaffenheit durch den Handel ist jedoch kein Selbstzweck. Sie dient der Qualitätsdefinition der Produkte und ist damit eine  wichtige Basis der Geschäftsbeziehungen von Erzeugern, Verarbeitern und Händlern zur Herstellung von Homogenität, Vergleichbarkeit und Markttransparenz. Auch wird vorgebracht, dass bei den Verbrauchern Verwirrung über das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und Verbrauchsdatum herrscht. Umfragen legen jedoch nahe, dass Verbraucher Sinn und Zweck der Daten durchaus kennen, sich aber nicht oft genug daran halten. Darüber hinaus wird dem MHD in der Debatte viel zu große Bedeutung beigemessen. Denn die größten Verlustquoten entstehen bei den Produktgruppen „Obst und Gemüse“ sowie „Brot und Backwaren“ – beide tragen in der Regel kein Mindesthaltbarkeitsdatum.

Lösungsansätze im Handel

Gegenüber allen Vorwürfen an den Einzelhandel im Rahmen der Diskussion um Lebensmittelvernichtung gilt eine grundlegende Erwägung: Der Handel hat schon aus rein wirtschaftlichen Gründen ein verstärktes Interesse daran, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Denn nach wie vor gilt: Jeder weggeworfene Artikel kostet den Händler Geld. Nicht zuletzt aus diesem Grund wendet der Handel bereits heute eine Reihe der geforderten Vermeidungsstrategien an. So werden ständig die Warenwirtschaftssysteme mit dem Ziel optimiert, die Warenmengen an die tatsächliche Nachfrage der Kunden anzupassen. Dadurch lassen sich hohe Lagerbestände vermeiden, die Verderbsquote wird verringert. Produkte, die kurz vor MHD-Ablauf stehen, werden frühzeitig in Sonderaktionen verkauft. Ferner arbeitet der Lebensmitteleinzelhandel bereits seit Jahren mit den Tafeln zusammen, um den Konsum noch verzehrfähiger, aber nicht mehr verkaufsfähiger Lebensmittel zu ermöglichen.

Nächste Schritte 

Die EU-Kommission beabsichtigt nun, die Situation besser zu analysieren und in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten der Lebensmittelversorgungskette Maßnahmen zur effektiven Verringerung von Lebensmittelabfällen zu entwickeln, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit oder die Sicherheit von Lebensmitteln zu beeinträchtigen. Hierzu wird 2013 eine Mitteilung zu nachhaltigen Lebensmitteln erwartet. Der Handel sieht sich hier als Teil der Lösung und wird sich auch weiterhin konstruktiv an den Bemühungen zur Verringerung der Lebensmittelabfälle beteiligen.