Ladendiebstahl weiter auf hohem Niveau
Mit jährlichen Investitionen von 1,2 Milliarden Euro in Präventiv- und Sicherungsmaßnahmen muss der Handel den Schutz seiner Waren nach wie vor teuer erkaufen. Im gesamten Einzelhandel summieren sich die zu Verkaufspreisen bewerteten Inventurdifferenzen auf jährlich fast 3,9 Milliarden Euro. Unehrliche Kunden verursachen hiervon rund 2 Milliarden Euro, den eigenen Mitarbeitern werden ca. 0,8 Milliarden angelastet. Nach wie vor stiehlt – statistisch gesehen – jeder deutsche Haushalt jährlich Waren im Wert von über 50 Euro im Einzelhandel. Auf den Lebensmittelhandel projiziert bedeutet dies, dass rund jeder 200. Einkaufswagen unbezahlt die Kasse passiert.
Das durchschnittliche Niveau der Inventurdifferenzen 2009 hat sich – bei gleicher Grundgesamtheit – mit 0,65 Prozent vom Nettoumsatz gegenüber 0,66 Prozent im Jahr 2008 nur marginal verringert. Signifikante Veränderungen sind nur bei den Großflächen im Lebensmitteleinzelhandel – sprich große Supermärkte und SB-Warenhäuser – festzustellen: Sie mussten durchweg höhere Bestandsverluste verbuchen.
Steigende Inventurdifferenzen im LEH
Im Lebensmittelhandel (inkl. C & C-Märkte) liegen die durchschnittlichen Inventurdifferenzen bei 0,58 Prozent. Die C & C-Märkte schneiden traditionsgemäß mit deutlich unter 0,2 Prozent am besten ab. SB-Warenhäuser liegen mit 0,66 Prozent vom Nettoumsatz über ihrem Vorjahresniveau, ebenso wie große Supermärkte, deren durchschnittliche Bestandsverluste auf 0,51 Prozent anstiegen, während Supermärkte bis 2.500 qm jetzt niedrigere durchschnittliche Differenzen von 0,65 Prozent ausweisen.
Nach Einschätzung der Handelsexperten entfallen im Durchschnitt aller Branchen 53 Prozent auf Kundendiebstähle, während man den eigenen Mitarbeitern nur 21 Prozent anlastet. In absoluten Zahlen ergeben sich daraus etwa 2 Milliarden Schaden durch Kundendiebstähle und 800 Millionen durch eigene Mitarbeiter. Es steht außer Frage, dass im Verkaufsraum und an der Kasse mit mindestens zwei Drittel aller Verluste die meisten Diebstähle erfolgen. Im Durchschnitt aller Branchen entsteht die Hälfte der Verluste im Verkaufsraum und knapp 20 Prozent an der Kasse.
In allen Bereichen der Einzelhandelskriminalität erwarten die Händler eine Zunahme. Vor allem Ladendiebstähle in ihren unterschiedlichen Formen und Ursachen, wie Gelegenheitsdiebstähle, Beschaffungskriminalität, Diebstahl auf Bestellung, Bandendiebstähle usw., sind aber mit Abstand das größte Problem für den Einzelhandel. Im Fokus steht vor allem der professionell organisierte Ladendiebstahl im Sinne von Bandendiebstählen und Diebstählen auf Bestellung von professionell agierenden Tätergruppen, die bei jedem Zugriff wertmäßig hohe Schäden verursachen. Auch der gewöhnliche Gelegenheitsdiebstahl durch Kunden und die zunehmende Gewaltbereitschaft potenzieller Täter bereiten den Einzelhändlern offensichtlich Sorgen.
Polizeiliche Statistik trügt: 30 Millionen Ladendiebstähle unentdeckt
Die offiziellen Daten der Polizeilichen Kriminalstatistiken suggerieren abermals, dass die Ladendiebstähle – sprich der Kundendiebstahl – in den letzten Jahren stetig zurückgegangen sind. Die Einschätzungen des Handels zur aktuellen Kriminalitätslage stehen jedoch im Widerspruch zur amtlichen Statistik. Durch die hohe Dunkelziffer von weit über 95 Prozent besitzt die Statistik nur eine eingeschränkte Aussagefähigkeit. Berechnet man den durchschnittlichen Schaden der Kriminalstatistik (63 Euro) in Relation zu dem Inventurverlustanteil, der Kunden (2 Milliarden Euro) zugerechnet werden muss, ergibt sich, dass jährlich rund 30 Millionen Ladendiebstähle unentdeckt bleiben.
Nach Einschätzung von HDE, BVL und EHI bewerten die meisten Handelsunternehmen die Zusammenarbeit mit der Polizei bei der Bekämpfung des Ladendiebstahls als gut. Allerdings bemängelt der Handel die anschließende Strafverfolgung als vollkommen unzureichend. Eine breitere öffentliche und politische Diskussion des Problemfeldes der Ladendiebstähle könnte zu einem stärkeren Unrechtsbewusstsein und einer größeren gesellschaftlichen Ächtung dieser Delikte beitragen.