Keine Sommerpause für Verbraucherpolitik
Der mit einer dreiviertel Million Euro aus dem Haushalt des Bundesernährungsministeriums geförderte Internetauftritt lebensmittelklarheit.de legte einen holprigen Start hin. „Millionen Klicks, tausende Beschwerden, zahllose technische Schwierigkeiten – und nur zwei Mitarbeiter“, schrieb der Berliner Tagesspiegel fünf Tage nach der Freischaltung. Problematisch sind jedoch weniger die technischen Schwierigkeiten. Aus Sicht des Handels vernachlässigt der Betreiber, die Verbraucherzentrale Hessen, vielmehr die Gebote der Neutralität und Objektivität.
Informationsteil neutral halten
Anstatt sich mit anderen Organisationen einen Wettbewerb um die medienwirksamste Wirtschaftsschelte zu liefern, sollte das Portal zu einer ausgewogenen Diskussion um die Kennzeichnung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln beitragen. Neutrale Informationen helfen den Verbrauchern, die Lebensmittelkennzeichnung zu verstehen und selbst beurteilen zu können. Im Informationsteil haben wertende Elemente daher keinen Platz.
Im produktbezogenen Bereich steht die gefühlte Täuschung Einzelner im Fokus. Diese wird zum Maßstab der Beurteilung erhoben und kann die Wirkung eines Prangers entfalten. Dies ist umso problematischer, da die Vorgaben für die Lebensmittelkennzeichnung auf nationaler oder europäischer Ebene vereinbart worden sind. Wenn nun die Unternehmen ihre Produkte unter Beachtung dieser Regeln produzieren und vermarkten, ist es falsch, dass sie sich in einem mit Steuergeldern finanzierten Internetportal dafür rechtfertigen müssen.
Lebensmittelhandel unterstützt verständliche Kennzeichnung
Selbstverständlich hat der Lebensmittelhandel ein Interesse an einer einfachen und verständlichen Kennzeichnung. Aber wenn die heutigen Regeln zu komplex und teilweise unverständlich sind, ist es Aufgabe der Politik, dies zu ändern.
VIG: Referentenentwurf geringfügig entschärft
Der BVL begrüßt, dass der vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf des VIG einige Bedenken und Hinweise des Handels berücksichtigt hat. So wurde die Forderung aufgenommen, die Ausschlussgründe für Weiterleitungen von Informationen zu erweitern. Im neuen Entwurf gilt das Weiterleitungsverbot nunmehr auch für Meldungen die aufgrund einer gesetzlichen Meldepflicht erfolgt sind und die keine Verstöße darstellen. Dies ist sinnvoll, da nach dem neuen § 44 Abs. 4 a LFGB auch Untersuchungsberichte zu melden sind, die keine Überschreitungen beinhalten. Der BVL begrüßt weiterhin, dass die geplante Einführung des § 40 Abs. 1 a LFGB überarbeitet und die generelle Pflicht zur Veröffentlichung von allen Gesetzesverstößen herausgenommen wurde.
Dennoch ist das Gesetzesvorhaben weiterhin kritikwürdig, da die Novelle Unternehmerrechte unverhältnismäßig beschneidet. In der Praxis muss eine ausgewogene Balance zwischen Verbraucher- und Unternehmensinteressen gewährleistet bleiben. Darauf wird der BVL im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsprozesses hinwirken.
Das gilt vor allem für den Ermessensspielraum der Behörde zur Veröffentlichung des Namens eines Lebensmittelunternehmers bei Mitteilungen an die Bevölkerung. So sollte es auch künftig den örtlichen Überwachungsbehörden möglich sein, selbst zu entscheiden, ob bei einer Überschreitung von Grenzwerten, Höchstgehalten oder Höchstmengen eine Information der Öffentlichkeit notwendig und sinnvoll ist. Es gibt genug Fälle, in denen das betroffene Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen wurde, bevor es den Verbraucher erreichen konnte. Es daher nicht ersichtlich, warum in solchen Fällen eine Stigmatisierung des Händlers durch die Veröffentlichung seines Namens erfolgen soll, wenn die Information zum Schutz des Verbrauchers nicht mehr notwendig ist.
Gefährdungsunabhängige Veröffentlichungspflicht ist ein Novum im deutschen Rechtssystem
Darüber hinaus wäre die Veröffentlichung des Namens eines Betroffenen in einem laufenden Verfahren, unabhängig vom Gefährdungspotenzial des Tatvorwurfs, ein Novum in unserem Rechtssystem. Nicht ohne Grund werden in der Regel während eines laufenden Verfahrens die Personalien eines Betroffenen anonymisiert, um seine Persönlichkeitsrechte zu wahren. Dasselbe Recht sollte – zumindest in Fällen, wo dies nicht zum Schutz der Gesundheit des Verbrauchers erforderlich ist – auch einem Lebensmittelunternehmer gewährt werden. Dies kann aber nur in einer Einzelfallentscheidung beurteilt werden.