Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Jugendschutz ernst nehmen

Zahlreiche Projekte und Maßnahmen des Handels belegen, so der HDE, wie ernst der Handel den Jugendschutz nimmt. Generelle Verkaufsverbote am späten Abend dagegen lösen das Problem nicht und sind nicht tragfähig. Die zeitliche Beschränkung der Sortimentsvielfalt ist nicht nur für den Handel, sondern auch für seine (volljährigen) Kunden unverständlich.

Die derzeitige Diskussion um die Einschränkung des Verkaufs von Alkohol im Lebensmitteleinzelhandel ist ein politischer Irrweg. Der Hintergrund: Baden-Württemberg will ab Januar 2010 die Abgabe von Alkohol in Super- und Verbrauchermärkten, in Kiosken und an Tankstellen nach 22.00 Uhr verbieten. Das Land hat die Absicht, damit den Alkoholmissbrauch von Jugendlichen einzudämmen, Koma-Saufen oder nächtliches, alkoholisiertes Herumlungern zu verhindern. Dass damit der freie Handel plötzlich wieder reguliert, die Ladenöffnungszeiten unterlaufen und der Kunde in seinen Rechten eingeschränkt werden, zählt nicht. Ebenso wird ein nächtliches Verkaufsverbot das Grundproblem — den übermäßigen Alkoholkonsum durch Jugendliche — nicht lösen.

Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass es einen strukturellen Unterschied zwischen dem Thema Einhaltung des Jugendschutzgesetzes im Bereich der Abgabe und dem viel komplexeren Themenfeld der Alkoholprävention gibt. Tatsächlich kann der Einzelhandel ebenso wie andere Branchen durch die Einhaltung der strikten jugendschutzrechtlichen Vorgaben vermeiden, dass Jugendliche oder gar Kinder Alkohol erhalten. Allerdings liegt es nicht im Verantwortungsbereich des Einzelhandels, wenn alkoholische Getränke dann auf anderem Weg – z. B. über die Clique oder gar die Familie – doch wieder in die Hände von jugendlichen Konsumenten geraten. Diese Situation, die sich auch im festgestellten Anstieg der Zahl eingelieferter Jugendlicher mit Alkoholintoxikation niederschlägt, kann nicht durch Beschränkungen für Erwachsene gelöst werden, sondern hier bedarf es vielmehr gesamtgesellschaftlicher Konzepte, die an den tatsächlichen Problemstellen ansetzen.

Aus genannten Gründen ist die geplante gesetzliche Regelung nicht zielführend. Der Vorstoß ist für den HDE doppelt unverständlich, denn der Verband unterstützt seit Jahren ausdrücklich die konstruktiven Kampagnen zum Jugendschutz, die sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene umgesetzt werden. „Die Kampagne 'Jugendschutz: Wir halten uns daran!' ist überall im deutschen Handel etabliert. Schulungen der Mitarbeiter, Informationsmaterial, neue Kassensysteme, die von der Kassiererin bei Alkoholverkauf erhöhte Aufmerksam erfordern, werden auf breiter Basis eingesetzt. Handelsunternehmen haben gute Erfahrungen mit Systemen gemacht, bei denen der Kassiervorgang nicht weiter geht, bevor sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin vom richtigen Alter ihres Kunden überzeugt haben.

Der Jugendschutz ist in Bezug auf die Abgabe von alkoholhaltigen Getränken schon heute eine strikte und umfassende gesetzliche Verpflichtung für alle, die im Einzelhandel mit jungen Menschen als Kunden zu tun haben. Der Handel beachtet den Jugendschutz aber nicht nur aufgrund der gesetzlichen Vorgaben, sondern vielmehr auch aus dem Bewusstsein seiner gesellschaftlichen Verantwortung heraus. Als Kooperationspartner unterstützt der HDE aktuell den Arbeitskreis Alkohol und Verantwortung, der vom Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und –Importeure (BSI) ins Leben gerufen wurde. Gemeinsam entstand hier die Schulungsinitiative Jugendschutz, kurz SchuJu genannt. Eine weitere Maßnahme: das zusammen mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) entwickelte, kostenlose Schulungsmaterial „Jugendschutz konsequent umsetzen“.

Angesichts des bereits geltenden Jugendschutzrechts ist der strikte Vollzug der bestehenden Rechtsvorgaben einzufordern und für „schwarze Schafe“ darf es keine falsch verstandene Rücksicht geben. Bei dieser Ausgangslage lehnt der Einzelhandelsverband daher das geplante generelle Abgabeverbot für Alkohol während der Abend- und Nachtstunden im Einzelhandel entschieden ab. Gründe dafür sind:

Neue Verkaufsverbote sind unverhältnismäßiger Eingriff in Unternehmensgrundrechte

Das geplante Verkaufsverbot würde dazu führen, dass der Handel - sofern dieser die Freiräume aus dem Ladenschlussgesetz zur Versorgung der Bevölkerung nutzen möchte - zu bestimmten Zeiten nicht mehr sein umfassendes bzw. übliches Sortiment anbieten kann. Dabei ist das Verbot als solches aber bereits nach dem allgemeinen Erfahrungswissen nicht geeignet, das gesetzgeberische Ziel zu erreichen.

Ungerechtfertigte Beschränkungen für die Kunden

Die gezielte Beschränkung der Sortimentsvielfalt ist nicht nur für den Handel, sondern auch für seine (volljährigen) Kunden ein erheblicher Eingriff. Dabei ist nochmals daran zu erinnern, dass das geplante Verkaufsverbot leicht zu umgehen ist und daher die Missbrauchsmöglichkeiten von Alkohol nicht verhindert werden.

Bürokratieaufbau: Investitionszwang versus früher Ladenschluss

Ein zeitlich befristetes Verkaufsverbot für eine bestimmte Warengruppe würde im Handel zwangsläufig zu erheblichen Investitionen führen, da der Kunde in der entsprechenden Zeit effektiv daran gehindert werden müsste, diese Produktgruppe zu erwerben. Dies lässt sich praktisch nicht mehr an der Kasse lösen. Hier müsste unmittelbar im Verkaufsbereich der Geschäfte - etwa durch den Umbau bzw. die Sicherung der Regale - verhindert werden, dass der Kunde entsprechende Produkte auswählt. Die Alternative, die Schließung des Geschäfts ab 22.00 Uhr, wäre ebenso wenig tragfähig. Mancher Unternehmer könnte den Spielraum aus dem gerade deregulierten Ladenschlussgesetz faktisch nicht mehr nutzen.

Ausweitung auch auf andere Sortimentsbereiche?

Es ist zu befürchten, dass dieses Verbot nur der Beginn einer ganzen Reihe von möglichen weiteren mit (fragwürdig) gesundheits- bzw. gesellschaftspolitisch begründeten Verkaufsverboten ist. Mit welchen Argumenten wäre etwa einer zukünftigen Ausweitung der Verbotszeit beispielsweise auf 20.00 Uhr zu begegnen? Warum sollen entsprechende Verbote von der Politik nicht auch für Tabakwaren, Zeitschriften oder Medienträger mit nicht tragbaren Argumenten gefordert werden? Auch wenn derzeit nur wenige Geschäfte unmittelbar betroffen scheinen, ist diese grundlegende Perspektive kritisch anzusprechen.

Gesellschaftliche Verantwortung statt Aktionismus

Gesellschaftliche bzw. gesundheitspolitische Probleme dürfen nicht einfach auf dem Rücken des Handels ausgetragen werden, um mögliche Versäumnisse bei den Themenfeldern Bildung und Prävention ausgleichen zu wollen.

Daher sei nochmals auf die vielfältigen Maßnahmen zum Jugendschutz hinzuweisen, die vom Handel aktiv unterstützt werden. Wir plädieren gleichzeitig erneut dafür, verstärkt auf Präventionsarbeit und Aufklärung zu setzen und die gesellschaftliche Herausforderung konstruktiv zu bewältigen, statt durch Aktionismus falsche Lösungen zu suchen. Übermäßiger Alkoholkonsum bei jungen Menschen ist auch Ausdruck von Orientierungslosigkeit, Zukunftsängsten und mangelnder Bildung. Ein derart komplexes gesamtgesellschaftliches Problem kann man nicht durch Verbote lösen, die bei lebensnaher Betrachtung von vornherein keine wirkliche Aussicht auf eine Beseitigung der eigentlichen Ursachen versprechen.

Der überwiegende Teil der deutschen Bevölkerung zeigt schon heute einen verantwortungsvollen und bewussten Umgang beim Konsum mit Alkohol. Es wäre ein gesellschaftlicher und politischer Irrweg, wenn man diese Realität ausblendet und in der Folge zwangsläufig zu überregulierenden Vorgaben bzw. Forderungen gelangen würde.