Grüne Produkte aus der Nische holen
Nachhaltig erzeugte Produkte haben im deutschen Lebensmittelhandel weiterhin gute Wachstumsaussichten. Das ist eines der Kernergebnisse einer Umfrage, die der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVLH) anlässlich der Anuga 2013 durchgeführt hat.
Dabei wird regionalen Produkten von den befragten Handelsunternehmen höheres Potenzial eingeräumt, als ökologisch erzeugten Lebensmitteln.
So schätzt zwar die Hälfte, dass sich der Umsatz sowohl bei regionalen, als auch bei Bio-Produkten in den kommenden fünf Jahren um bis zu 30 Prozent erhöhen könnte. Knapp ein Drittel aber traut regionalen Produkten sogar eine Steigerung von bis zu 50 Prozent zu. Ebenfalls knapp ein Drittel taxiert das Wachstumspotenzial von Bio-Lebensmitteln hingegen nur auf bis zu 10 Prozent.
Die Einschätzungen zu den Wachstumsaussichten für fair gehandelte Produkte sind unter den befragten Handelsunternehmen relativ ausgewogen. Je ein Drittel rechnet in den kommenden fünf Jahren mit einer Umsatzsteigerung von bis zu 10 Prozent bzw. bis zu 30 Prozent. Ein Viertel hält bis zu 50 Prozent für möglich.
Hohes Wachstumspotenzial wird auch Produkten mit Tierschutzaspekt eingeräumt. Die Hälfte der befragten Unternehmen traut ihnen eine Steigerung von bis zu 50 Prozent zu, ein Drittel hält bis zu 30 Prozent für möglich.
Verbraucher haben den größten Einfluss
Größten Einfluss auf das Wachstum haben die Verbraucher. Dabei spielt die Aufmerksamkeit, die nachhaltig erzeugte Produkte in der Öffentlichkeit genießen, eine wesentliche Rolle.
Deutlich wird das, wenn man sich die Treiber und Hemmnisse anschaut, die auf die Vermarktung nachhaltig erzeugter Produkte einwirken.
Dazu wurden die befragten Handelsunternehmen gebeten, mithilfe einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 „gar nicht“ und 5 „voll“ bedeutet, ihre Einschätzung zu fördernden und bremsenden Faktoren abzugeben.
Mit einem Mittelwert von 4,22 Punkten halten demnach die befragten Unternehmen den Bedeutungsgewinn, den das Thema Nachhaltigkeit in der Öffentlichkeit erzielt hat, für den stärksten Treiber der Vermarktung nachhaltig erzeugter Produkte.
Eine Folge dieser in erster Linie durch die Medien geförderten hohen Aufmerksamkeit ist, dass die Kunden dem Thema Nachhaltigkeit eine höhere Bedeutung beimessen und mehr nachhaltig erzeugte Produkte nachfragen. Dieser Treiber erzielte mit einem Mittelwert von 4,0 Punkten die zweithöchste Zustimmung.
Untermauert wird dieses Ergebnis dadurch, dass die These: „Kunden interessieren sich generell nicht für nachhaltig erzeugte Produkte“ mit einem Mittelwert von 2,56 Punkten als das geringste Hemmnis betrachtet wird.
Vermarktungsanstrengungen des Handels stärker würdigen
Obwohl auch die hohe Medienaufmerksamkeit das Thema vorangebracht hat, sehen die befragten Handelsunternehmen ihre Anstrengungen zur Vermarktung nachhaltig erzeugter Produkte in der Öffentlichkeit nicht genug honoriert. Mit einem Mittelwert von 3,67 Punkten ist diese Ansicht das zweitgrößte Hemmnis.
Diese Einschätzung dürfte ihre Ursache darin haben, dass die Erwartungshaltung von Medien, Nichtregierungsorganisationen und Teilen der Politik nicht immer mit dem Handlungsspielraum der Unternehmen übereinstimmt.
Dabei wird von der kritischen Öffentlichkeit oft übersehen, dass Lieferanten und Handel ihr Angebot nachhaltig erzeugter Produkte deutlich ausgeweitet haben. Dieser Sachverhalt ist für die befragten Unternehmen mit einem Mittelwert von jeweils 3,44 Punkten der drittstärkste Treiber.
Dass nicht immer alles sofort machbar ist, was wünschenswert erscheint, wird vor allem bei der Frage deutlich, ob nachhaltig erzeugte Produkte etwas mehr kosten dürfen. Das Ergebnis der Befragung scheint auf den ersten Blick widersprüchlich. So ist einerseits mit einem Mittelwert von 4,33 Punkten die Aussage: „Kunden sind nicht bereit, einen Aufpreis für nachhaltig erzeugte Produkte zu zahlen“ nach Meinung der befragten Unternehmen das größte Hemmnis.
Andererseits stimmen sie mit einem Mittelwert von 3,22 Punkten der „Treiber-These“ zu, dass Kunden bereit sind, mehr Geld für nachhaltig erzeugte Produkte auszugeben.
Auf der einen Seite kommt in diesen Ergebnissen die generelle Erfahrung der Unternehmen mit der hohen Preissensibilität der deutschen Verbraucher und mit dem intensiven Wettbewerb im deutschen Lebensmittelhandel zum Ausdruck.
Auf der anderen Seite sehen die Unternehmen jedoch, dass die Kunden bereit sind, die im Schnitt höheren Preise für Bio-Lebensmittel oder fair gehandelte Produkte zu zahlen. Entscheidend ist jedoch nach wie vor, dass der Preisabstand nicht zu groß sein darf.
Die Umfrage wurde im August 2013 durchgeführt. Die Ergebnisse beruhen auf den Antworten von neun Unternehmen des filialisierten und des genossenschaftlich organisierten Lebensmittelhandels. Diese Unternehmen betreiben insgesamt 30 Vertriebslinien mit fast 20.000 Geschäften. Das sind 50 Prozent aller Lebensmittelhandelsgeschäfte in Deutschland. Darunter sind Märkte aller Größenklassen – von 200 bis über 10.000 Quadratmeter Fläche.
Die befragten Unternehmen erzielten 2012 einen Umsatz von zusammen 137 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von über 60 Prozent am gesamten Umsatz des organisierten Lebensmittelhandels in Deutschland.