Fangdatum bedroht Fischtheke
Der Handel begrüßt die in Erster Lesung gemachten Vorschläge zur Marktorganisation, insbesondere mehr Nachhaltigkeit in der Fischerei zu verankern. Hingegen stößt der Regelungsvorstoß, künftig ein Anlande- oder Entnahmedatum bei Erzeugnissen kennzeichnen zu müssen, die für den Verkauf als Frischware bestimmt sind, auf massive Ablehnung des Handels. Das wird wir folgt begründet:
Kennzeichnungselemente, wie ein Anlande- und Entnahmedatum, sind in qualitativer und die Sicherheit des Lebensmittels betreffender Hinsicht grundsätzlich nicht aussagekräftig. So kann ein Frischfisch, der beispielsweise vor neun Tagen angelandet wurde, bei optimaler Kühlung in einem besseren Zustand sein, als ein weniger optimal gekühlter Fisch, der vor sechs Tagen angelandet wurde.
Erheblicher administrativer sowie technischer Aufwand
Stammt der Fisch zudem aus einem Tagesfang, ist die Qualität sicherlich höher einzustufen, als Ware von einem Fangschiff, das ein bis zwei Wochen unterwegs war. Beide Erzeugnisse könnten ein gleiches Anlandedatum aufweisen. Das stellt die Aussagekraft einer derartigen Kennzeichnung noch einmal deutlich infrage.
Was die technische Umsetzbarkeit betrifft, müssten sämtliche Daten täglich neu im System und auch auf den Schildern in der Theke gepflegt werden. Der zusätzliche administrative Aufwand wäre für die Mitarbeiter in den Geschäften enorm. Zudem würde das Anlande- oder Entnahmedatum die Thekenschilder vergrößern. Die Attraktivität der Bedientheke würde erheblich leiden. Auch wären die technischen Systeme der Geschäfte und ihrer vorgelagerten Stufen nicht in der Lage, die neu geforderten Attribute abzudecken. Sie müssten, soweit technisch möglich, massiv nachgerüstet werden.
Gemischte Ware nicht zu vermarkten
Große Zweifel bestehen zudem, ob die handelsseitigen Vorstufen in der Lage sind, Chargen von Ware mit einem Anlande- oder Entnahmedatum künftig unvermischt durch die Kette liefern zu können. Eine gemischte Ware, ohne einheitliches Datum, wäre im Einzelhandel nicht mehr zu vermarkten und müsste bei Anlieferung abgelehnt werden.
In der Fisch-Bedientheke würde für dort präsentierte Ware oft nicht ein einheitliches Anlande- oder Entnahmedatum vorliegen. Dies würde nicht nur den Kunden verunsichern, sondern auch das Bedienpersonal im Erklärungsbedarf schlicht überfordern. Auch könnte sich der Kunde die Frage stellen, warum ein Anlande- und Entnahmedatum bei Fisch angegeben werden soll, dies aber bei Fleisch (Schlachtdatum) unterbleibt.
Ältere Ware müsste ungenutzt entsorgt werden
Würde Fisch mit unterschiedlichem Anlande- oder Entnahmedatum angeboten, würde der Kunde automatisch zur jüngsten Ware greifen. Hingegen würde Ware mit älterem Datum - auch wenn sie noch in bester Qualität vorliegt - keinen Abnehmer mehr finden und müsste ungenutzt entsorgt werden. Dies wäre weder aus wirtschaftlichen Gründen noch aus Gründen einer nachhaltigen Ressourcennutzung akzeptabel.
Auch zeigt eine norwegische Studie, dass die Kaufbereitschaft der Verbraucher sinkt, wenn sie das Fangdatum kennen. Die Mehrzahl der Verbraucher gab an, dass sie keinen Fisch kaufen würden, der älter als vier Tage ist. Die Verbraucher trauen also nicht mehr ihren Sinneseindrücken, sondern lassen sich allein durch die Zusatzinformation leiten.
Kundenabwanderung von der Fischtheke droht
Übertragen auf die Situation in der Praxis wären die Irritationen beim Verbraucher derart massiv, dass ein großer Teil des Frischfisches in der Bedientheke quasi nicht mehr zu veräußern wäre. Ein massives Kundenabwandern von der Theke wäre die Folge.
Zudem stellt sich die Frage, ob eine derartige Pflichtkennzeichnung, die in vielen Fällen nicht sicher überprüfbar ist, als Regelungselement überhaupt die notwendige Rechtssicherheit bietet.
Ausrichtung im EU-Fischereirat zielführend
Sollte der Regelungsansatz so weiterverfolgt werden, wäre der administrative wie technisch-logistische Aufwand zur Umsetzung im Handel enorm. Zudem würde die Attraktivität und Akzeptanz betroffener Ware beim Verbraucher derart leiden, dass der Verkauf von Frischfisch erheblich gefährdet wäre. Ein Verlust an Angebots- und Servicevielfalt sowie von Arbeitsplätzen in den Märkten des Handels wäre die Folge.
Hingegen findet die „Allgemeine Ausrichtung“, auf die sich der EU-Fischereirat Mitte Juni 2012 einigte, in den wesentlichen Punkten die Unterstützung des Handels. Positiv zu bewerten ist, neben dem Wegfall des Fang- und Entnahmedatums, auch eine Reihe anderer Anpassungen (u. a. in den Bereichen Verbraucherinformation und Auftauhinweis), die zu mehr Angleichung an bereits bestehende EU-Regelwerke führen.