Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Europawahl 2019

Der Termin ist in aller Munde und das nicht nur in Brüssel – vom 23. – 26. Mai 2019 wird in Europa gewählt. In Deutschland sind die Wahllokale am Sonntag, den 26. Mai 2019 geöffnet. Diese Wahl dürfte nicht zuletzt auf Grund großer Veränderungen innerhalb der EU - seien es der Brexit, europaskeptische Tendenzen in einzelnen Mitgliedstaaten oder aber globale Herausforderungen wie Klimawandel oder internationale Handelsbeziehungen mit Drittstaaten – nicht zuletzt auch für den Lebensmitteleinzelhandel – richtungsweisend sein.

Wie funktioniert das Verfahren?
In Deutschland werden 96 Europaabgeordnete gewählt. Anders als bei der Bundestagswahl hat jeder Wahlberechtigte bei der Europawahl nur eine Stimme, mit der er eine Partei oder sonstige politische Vereinigung wählen kann. Es gibt keine Fünf-Prozent-Hürde bzw. Sperrklause für die Parteien. Es reicht also bereits ein geringer Stimmenanteil aus, um in das Parlament einziehen zu dürfen. Durch die Aufteilung der Sitze gibt es dennoch eine Hürde: Ab einem Stimmenanteil von 0,5 Prozent erhält eine Partei einen Sitz.

Im Europäischen Parlament schließen sich die nationalen Parteien zu Europaparteien zusammen. So ergeben sich Gruppierungen mit beispielsweise einer liberalen, konservativen oder sozialdemokratischen Ausrichtung. Sie bilden in ihrem Handeln einen Konsens aus den Programmen und Positionen der nationalen Parteien ab, die ihrerseits Fraktionen bilden können. Nach Stimmenauszählung konstituieren sich die verschiedenen Parlamentsfraktionen und thematischen Fachausschüsse. Ferner werden jeweils Ausschussvorsitzende und Stellvertreter für jeden Ausschuss gewählt.

Welche Erwartungen hat der Lebensmitteleinzelhandel an das neue EU-Parlament und die nächste Legislaturperiode 2019-2024?
Die Europawahl ist nicht zuletzt auch für den Lebensmitteleinzelhandel ein wichtiger Termin, denn ein Großteil der für den Handel relevanten nationalen Gesetzgebung geht heute auf europäische Verordnungen und Richtlinien zurück. Das EU-Parlament als Mitgesetzgeber spielt eine entscheidende Rolle in diesem EU-Gesetzgebungsprozess. Es kann künftige EU-Regelungsvorhaben mitgestalten, als Korrektiv wirken und sicherstellen, dass eine künftige Maßnahme allen betroffenen Interessen, unter anderem auch denen der Handelsunternehmen im Alltagsgeschäft gerecht wird.

Binnenmarkt bewahren und weiterentwickeln
Aus wirtschaftlicher Sicht bleibt die Vollendung des europäischen Binnenmarktes die wichtigste und größte Aufgabe für Europa. Um das volle wirtschaftliche Potential der EU ausschöpfen zu können, müssten bestehende innereuropäische Hindernisse wie beispielsweise protektionistische Tendenzen in einzelnen Staaten, nationale gesetzliche Alleingänge wie z.B. im Bereich der Kennzeichnung aber auch unterschiedliche Interpretation von EU-Regelungen beseitigt werden. Verbraucherinformation, Gesundheit, sichere Lebensmittel sind grenzüberschreitende Prioritäten. Jegliche Ansätze zur Vermeidung von Krisenfällen und zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug sind allein in Form einheitlicher europäischer Maßnahmen wirksam.

Anderseits bedarf es oftmals keiner neuen EU-Regelungen, sondern es muss vielmehr sichergestellt werden, dass die bestehenden Vorschriften EU-weit einheitlich und konsequent von den Mitgliedstaaten durchgesetzt werden.

Bessere Rechtssetzung
Auch künftig muss sich jegliche EU-Gesetzgebungsmaßnahme an den Grundsätzen der besseren Rechtssetzung messen lassen können. Dies bedeutet, dass jegliche europaweite Regelungen stets  auf der Basis bewerteter wissenschaftlicher Erkenntnisse beruhen müssen. Dies schließt auch die Notwendigkeit detaillierter Folgenabschätzungen (Kosten und Nutzen) künftiger EU-Maßnahmen mit ein, welche unter Beteiligung aller betroffenen Akteure durchzuführen sind.

Für den Lebensmitteleinzelhandel an der Schnittstelle von Lebensmittelsicherheit, Umwelt, Nachhaltigkeit und Verbraucherrecht ist es von grundlegender Bedeutung, dass insgesamt kohärente Regelungen unter Vermeidung von inneren Widersprüchen geschaffen werden. So muss beispielsweise bei der Forderung nach der vermehrten Verwendung von Rezyklaten bei Verpackungen nicht zuletzt auch die Sicherheit und Hygiene von den verpackten Lebensmitteln berücksichtigt werden.

Nachhaltigkeit als gemeinsames Ziel konstruktiv angehen
Der Lebensmittelhandel mit direkten Kontakten zu den Kunden aber auch den Lieferanten ist sich seiner besonderen Verantwortung in der Lieferkette bewusst. Besonders bei ihren Eigenmarken engagieren sich die Handelsunternehmen seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit. Beispiele dafür reichen vom Ausbau ökologisch und regional erzeugten Lebensmittel über das Engagement in Tierwohl-Initiativen und für nachhaltigere Eiweißfuttermittel bis hin zu bestandserhaltender Fischerei und umweltfreundlicher Aquakultur.

Um dieses Engagement erfolgreich fortsetzen zu können, bedarf es realistischer und verhältnismäßiger Zielvorgaben sowie klarer Regelungen zur Verteilung der Verantwortlichkeiten in der Lieferkette. Der Einzelhandel ist zwar ein überzeugter Partner auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, doch kann er die vielfältigen Herausforderungen nur als Teil einer sektorübergreifenden Kooperation angehen. EU-Nachhaltigkeitspolitik sollte hierfür konkrete Rahmenbedingungen schaffen.

Digitalisierung
Nicht fehlen darf das Thema Digitalisierung, das auch im Lebensmitteleinzelhandel grundlegende Veränderungen und Chancen mit sich bringt. Auch wenn heute noch vergleichsweise wenig Lebensmittel online vertrieben werden, prägen die neuen digitalen Lösungen zunehmend auch den Lebensmittelhandel. Kundenmanagement und -feedback, Marketing, Instrumente mit Produktinformationen für Verbraucher (z.B. zu Allergenen, Nährwerten etc.) sowie intelligente Bestell- und Zahlysteme sind nur einige der neuen digitalen Möglichkeiten. Aber auch das Potenzial in der Lieferkette ist enorm: bessere Kontrolle und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln und ihrer Qualität, Transparenz und Warendaten vom Feld bis auf den Teller und Nutzung künstlicher Intelligenz in der Produktion.

Angesichts dieser Vielzahl an neuen technologischen Möglichkeiten bedarf es kohärenter Regelungen für den sicheren Datenaustausch und Probleme der Kontrolle, für digitale Infrastrukturen sowie für die Vereinbarkeit der Online- mit der Offline-Welt. Kanalabhängige Wettbewerbsverzerrungen und Zugangsbarrieren sind zu vermeiden.

Fazit
Die Themen des Lebensmitteleinzelhandels mit europäischer Dimension sind vielfältig.
Tierwohl, Herkunftskennzeichnung und Verbraucherinformation im allgemeinen, Ernährung und Gesundheit, Lebensmittelhygiene über nachhaltige Lieferketten und Lebensmittelverschwendung bis hin zu dem Potenzial von Digitalisierung und Blockchain-Technologie sind nur einige der Bereiche, die nach der Europawahl zu den Herausforderungen der kommenden fünf Jahre für die Branche gehören werden.

Es bleibt zu hoffen, dass die neuen EU-Abgeordneten bei ihrer gesetzgeberischen Arbeit im EU-Parlament der wichtigen Rolle des Handels als Versorger, Arbeitgeber und Partner der Lieferkette sowie seiner Bedeutung für das Gemeinwohl Rechnung tragen werden.

Zum HDE-Wahlaufruf für eine hohe Beteiligung an der Europawahl. ...