Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Drei, zwei, eins … meins?

Zwischen 100 und 150 Mio. Euro könnte der Einzelhandel in Deutschland Jahr für Jahr sparen, wenn der Handel mit gebrauchter Software sein volles Potential ausschöpfen könnte. Für manch ein großes Unternehmen wären durchaus Einsparungen in sechsstelliger Höhe oder gar darüber hinaus erreichbar. Aber solange der Markt durch juristische Auseinandersetzungen zwischen den Software-Herstellern und den Anbietern gebrauchter Software verunsichert ist, wird der Gebrauchtsoftware-Handel nicht florieren. Der Wettbewerb wird niemals seine volle Funktionsfähigkeit erreichen und für die Wirtschaft werden wichtige Preisimpulse nach unten ausbleiben.

In der zweiten Hälfte des Jahres wird nun endlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) über Wohl oder Weh des Handels mit gebrauchter Software entscheiden. Und es gibt erste Signale aus Luxemburg, die Hoffnung machen; für alle, die bereits gebrauchte Software gekauft haben und für die, die sich bisher nicht getraut haben. Im Kern dreht es sich bei dem seit 2005 anhaltenden Rechtsstreit um den sogenannten Erschöpfungsgrundsatz.

 Danach verfallen sämtliche Rechte eines Herstellers an seinem Produkt nach der Veräußerung innerhalb der EU. Die Ware gehört dann dem Käufer, einschließlich des Rechtes auf Weiterverkauf. Eigentlich ja auch ganz klar, aber juristisch gesehen muss Software eben wohl doch anders betrachtet werden als gebrauchte Autos oder Schreibtische.

So richten sich die Streitigkeiten nicht auf die Softwarepakete, die schön verpackt an den Kassen des Einzelhandels den Besitzer wechseln, es geht vielmehr um die üblicherweise online übertragenen Volumenlizenzen großer Unternehmen. Genau diese sind nämlich Objekt der Begierde für die auf Handel mit Gebrauchtsoftware spezialisierten Unternehmen.

Die Unternehmen sind verunsichert

Das Geschäftsmodell der Gebrauchtsoftware-Händler ist einfach. Fusionen und Geschäftsaufgaben, Softwareanbieter- oder Versionswechsel – es gibt viele Gründe, vorhandene Software nicht mehr zu nutzen. Was liegt also näher als die Software zu verkaufen. Aber für gebrauchte Software fällt es zurzeit viel schwerer, interessierte Käufer zu finden als für gebrauchte Regale, Kassentische, Truhen, Theken, Fahrzeuge, Schreibtische, Computer oder Bildschirme. Für alles gibt es einen Markt, alles lässt sich ohne Probleme veräußern, nur die Software ist ein Sonderfall. Dabei ist die Software mit Sicherheit in tadellosem Zustand, ohne jegliche Gebrauchsspuren, nur vielleicht nicht mehr auf dem allerneusten Stand.

Aber die Firmen sind verunsichert. Die Großen der Softwarebranche haben in den vergangenen Jahren alles getan, um den Handel mit gebrauchten Software-Lizenzen zu verhindern. Gerichtlich verfügte Hausdurchsuchungen bei den Newcomern im Handel mit Gebrauchtsoftware, Druck auf die IT-Abteilungen der Unternehmen, und natürlich auch eine professionelle Kampagne gegen den Handel mit gebrauchter Software in der Öffentlichkeit. Das alles hat seine Wirkung nicht verfehlt. Der Handel mit gebrauchter Software wurde faktisch kriminalisiert, die Nachfrage blockiert und die wenigen Anbieter nahezu ruiniert. Zuletzt war es ruhig geworden in dieser jungen und aussichtsreichen Branche.

Nun könnte endlich wieder Bewegung in diesen innovativen Markt kommen. Im laufenden Rechtsstreit zwischen Oracle und dem Gebrauchtsoftware-Anbieter Usedsoft vor dem EuGH hat Yves Bot, der Generalanwalt des EuGH, am 23. April 2012 seinen Schlussantrag vorgelegt. Der Generalanwalt stellt in seinem Gutachten dar, dass ein Unternehmen das Eigentum an einer Software erlangt, wenn diese zur zeitlich unbefristeten Nutzung erworben wird, unabhängig davon, ob die Software auf einem Datenträger oder online an den Käufer übergeben worden ist.

Bleibt zu hoffen, dass auch der EuGH am Ende in der Sache ein deutliches und in jeder Hinsicht klares Urteil spricht. Wenn am Ende juristische Gründe dazu führen, dass auch in Zukunft der Handel mit gebrauchter Software nicht ohne Bedenken möglich ist, dann muss die Politik dringend eingreifen und die Gesetze den neuen technischen Gegebenheiten anpassen. Die Wirtschaft ist dann selbst in der Pflicht, die notwendigen Impulse zu senden, wenn sie nicht noch stärker in Abhängigkeit von der Softwareindustrie geraten will.