Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels e.V. (BVL)

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Der lange Weg zum nachhaltigen Konsum

Ökologisch erzeugte, gentechnikfreie und fair gehandelte Nahrungsmittel – für alle erreichbar, auch für diejenigen mit schmalem Geldbeutel. Umfassende Verbraucherinformation sowie eine einfache Kennzeichnung und klare Aufmachung von Lebensmitteln: Bündnis 90/Die Grünen haben genaue Vorstellungen, wie die Verbraucher konsumieren und sich ernähren sollen. Was das kostet, bleibt dagegen vage. Dritter Teil unserer Serie über die ernährungs- und verbraucherpolitische Programmatik der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien.

Nachhaltiger Konsum. Es gibt wohl kaum eine Partei, die diesen Leitgedanken so umfassend und konsequent verfolgt, wie die Grünen. „Wir müssen anders produzieren, anders investieren und anders konsumieren – und das in allen Sektoren. Wir brauchen eine neue Kultur der Nachhaltigkeit in unserem Wirtschaften und unserem individuellen Handeln“, heißt es dazu im Beschluss der Grünen-Bundestagsfraktion „Eine neue Entscheidungsarchitektur für nachhaltigen Konsum“ vom 25. Mai 2011. Nichts weniger als ein „neues Lebensgefühl“ soll erzeugt werden, das Konsum mit sozial-ökologischem Gewissen verbinden und die Grundlagen dafür schaffen müsse, Jahrzehnte alte Strukturen und Gewohnheiten zu verändern. Ökologische und faire Konsummuster und Produkte sollen künftig die Regel, statt die Ausnahme sein.

Dieser Ansatz ist zumindest konsequent und die Grünen wissen, dass er nur Wirklichkeit werden kann, wenn es gelingt, die Konsumgewohnheiten der Menschen zu ändern. Die Partei ist sich bewusst, „dass die Entscheidung über nachhaltigen Konsum sekundenschnell am Supermarktregal gefällt wird“, wie es im genannten Fraktionsbeschluss heißt. Dabei komme es darauf an, richtig über ökologisches und faires Konsumverhalten zu informieren. Mit „handlungs- und verbraucherorientierten Politikansätzen“ sollen die Verbrauchsmuster privater Haushalte verändert werden. Und das funktioniere nur durch Aufklärung und Transparenz.

Dazu haben die Grünen klare Vorstellungen. So soll ein staatlich garantiertes Nachhaltigkeitssiegels geschaffen werden, das die bestehenden Siegel ergänzt und ordnet. Seine Kriterien müssten öffentlich zugänglich sein sowie unabhängig geprüft und kontrolliert werden. Bei Skandalen um Unternehmen und Produkte müssen Namen, Herstellungsbedingungen und alle Risiken schnell und vollständig veröffentlicht werden. Die Grünen pochen ebenso auf die Nährwertampel, wie auf die Einführung des Hygienebarometers. Sie fordern eine Kennzeichnung, die Auskunft darüber gibt, ob Fleisch-, Milch- oder Käseprodukte von Tieren stammen, die gentechnisch veränderte Futtermittel erhalten haben. Die Grünen verlangen eine Tierschutzkennzeichnung für Lebensmittel, damit Konsumenten auf einen Blick erkennen könnten, wie die Tiere gehalten wurden. Und sie setzen sich dafür ein, Werbung mit „ländlicher Bauerhofidylle und freilaufenden Tieren“ bei Produkten zu verbieten, die aus Massentierhaltung stammen.

Die Abkehr von den aktuell vorherrschenden Methoden der heimischen Nahrungsmittelerzeugung ist ein Kernbereich grüner Nachhaltigkeitspolitik. Dabei steht die Massentierhaltung im Fokus der Kritik. Sie sei nicht artgerecht, begünstige Tierkrankheiten und zöge damit hohen Antibiotika-Einsatz nach sich. Sie schade den ländlichen Räumen, weil sie in gewachsene Wirtschaftsstrukturen eingreife und die Lebensqualität in den Dörfern bedrohe. Sie begünstige hohen Fleischkonsum, der wiederum zahlreiche Zivilisationskrankheiten nach sich ziehe.

„Ein Umsteuern bei Massentierhaltung und übermäßigem Fleischkonsum ist daher unausweichlich. Klasse statt Masse muss auch hier zum Prinzip werden“, heißt es dazu in der „Grünen Agenda für verantwortungsbewussten Konsum statt Massentierhaltung“ vom Januar dieses Jahres. Sie beinhaltet unter anderem folgende Maßnahmen:

- Durchführung von Aufklärungskampagnen zu den gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Folgen des Fleischkonsums
-    Einführung eines „Veggie-Days“ in allen öffentlichen Kantinen
-    Stärkung der Ernährungsbildung an Kitas und Schulen
-    Strenge Reglementierung des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung
-    Verschärfung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren für    Tierhaltungsanlagen und Verbesserung der Bürgerbeteiligung.
-    Förderung des Aufbaus und der Modernisierung regionaler Verarbeitungs-  und Vermarktungsstrukturen

- Zeitliche Begrenzung von Tiertransporten
- Anpassung der Tierbestände an den Umfang der heimischen Futtermittelerzeugung und Stärkung des heimischen Anbaus von Eiweißpflanzen mit dem Ziel der Importreduzierung von gentechnisch verändertem Soja

So umfänglich und konkret diese Vorstellungen und Forderungen sind, so vage bleiben sie, was die Finanzierung betrifft. So unterstellen die Grünen zwar, dass „die Nachfrage nach Fleisch, Wurst, Eiern und Milchprodukten weitgehend aus artgerechter, regionaler Produktion gedeckt werden kann“, wie es in der Publikation „Tierschutz statt Tierfabriken“ heißt. Die Öko-Partei sagt jedoch nichts darüber, wie hoch der Mehrpreis für die Verbraucher am Supermarktregal ausfällt. Denn das solche Forderungen mit deutlich höheren Produktionskosten verbunden sind, die nicht vollständig auf ihrem Weg durch die Lieferkette abgefedert werden können, dürfte auch den Grünen klar sein.

Wer jedoch Transparenz fordert, muss sie auch an dieser Stelle einlösen – schon aus bloßem Eigeninteresse. Die Grünen haben die Messlatte hoch angesetzt. Wer die Konsumgewohnheiten einer Mehrheit der Verbraucher so fundamental ändern will – und zu diesem Ansatz gibt es aufgrund der Zielsetzung grüner Nachhaltigkeitspolitik keine Alternative – der muss ihnen auch umfänglich sagen, was auf sie zukommt. Dieses dicke Brett werden die Grünen wohl oder übel bohren müssen.